Samstag, 14. August 2021

Deutscher Orden und Seelsorge für Zisterzienserinnen?

Das Land Thüringen hatte neben dem Frankenland wohl die meisten Zisterzienserinnenklöster auf deutschem Boden. Fast alle verschwanden mit der Reformation und so geriet auch ihre Überlieferung in Vergessenheit. Vieles bleibt da noch zu tun, um den Schatz zu heben, der das geistig-kulturelle Leben dieser Region einst prägte. War doch diese Region im frühen 13. Jahrhundert das Zentrum des Reiches. 

Bei der Beschäftigung mit einer sehr kurzlebigen Gründung, Breitenbich nahe der Stadt Mühlhausen, aber auch im Kontext einer Schrift des Heinrich von Hesler fiel mir die Beziehung zwischen Deutschem Orden und Zisterzienserinnen auf. Natürlich sind die Indizien vage. Die Familie eines Edelherren, dessen Werke von den Deutschordensherren verbreitet werden, kann ihr Anwesen zufällig in ein Zisterzienserinnenkloster umgewandelt haben. Und die Gewährung von Ablässen, die Deutschherren dem Zisterzienserinnenkloster in Anrode anlässlich der Kirchweihe von Georgenthal zukommen ließen - auch sie können eine Gabe unter vielen sein, in einer Zeit, als die Popularität dieses Ordens im beständigen Wachsen war.

Meines Wissens sind die Relikte der Thüringer Balleien bisher noch nicht groß erforscht worden, sodass sich zu den intermonasteren Beziehungen gerade im Hinblick auf Frauenklöster wenig aussagen lässt. Es schadet allerdings nicht, eine solche These zunächst einmal aufzustellen, bevor man sie anhand erarbeiteter Fakten wieder verwirft. 

Verbindungen zwischen zisterziensischen Ordenshäusern und Deutschordensrittern ergeben sich bei den Männerklöstern über die Brüder von Dobrin, die Vorläufer der Deutschen Ordens im Deutschordensland. Sie entstammten dem Zisterzienserorden und gingen im Deutschen Orden auf. Das Element ritterlicher Tugend scheint also in beiden Orden ein hoher Wert gewesen zu sein. 

Die Frauenklöster könnten dort ins Spiel kommen, wo es darum ging, die Ausrüstung für diesen Orden herzustellen. Das würde erklären, weshalb so weit entfernt tätige Ordensritter einem sehr arm lebenden Zisterzienserinnenkloster in Thüringen, nämlich Anrode, mit einer Ablasserteilung Einnahmen verschafften. Und ausgerechnet die nahegelegene Stadt Mühlhausen hatte seinerzeit zwei Deutschordenskommenden. 

Geht man davon aus, dass sich die Mitglieder des Deutschen Ordens zu einem hohen Prozentsatz aus der städtischen Bevölkerung rekrutierten und in den Städten präsent waren, und diese Herkunft genauso für die in Stadtrandlage gelegenen Zisterzienserinnenklöster gilt, so wären vielleicht auch ähnliche Denk- und Aktionsmuster vorhanden, könnte man nach geistlichem Austausch und fürsorgenden Tätigkeiten spiritueller Art zu suchen. Ist es denn bewiesen, dass nach den Kanonikern ausschließlich die Dominikaner und die Franziskaner im Hoch- und Spätmittelalter die Seelsorge in den OCist-Frauenklöstern übernahmen? Könnten es nicht auch Deutschordenspriester gewesen sein?

Es könnte vielleicht einen Bezug zum Deutschen Orden geben, der auch einen Standesunterschied dokumentierte: Dass nämlich die von Kleinadligen und Ministerialen in Stadtrandlage gegründeten OCist-Frauenklöster den ursprünglichen zisterziensischen Geist, der auf Handarbeit setzte, intensiver und aktiver tradierten, als die hochadeligen Ordenshäuser, deren Schwerpunkt die Bildungswelt war. Es könnte sein, dass diese Häuser in ihrer spirituellen Geisteshaltung mit der motivierenden Thematik des Kämpfens für Christus, ohne in eine Schlacht zu ziehen, dem Bild also, das Bernhard von Clairvaux für seine Mönche skizziert hatte, mehr oblagen bzw. ihren Handlungsradius anders verstanden, als die adeligen zisterziensischen Häuser.  Mich jedenfalls beeindruckt eine Notiz, wonach die Nonnen von Anrode bei minus 40°C im Winter tapfer ihr Chorgebet hielten. Solches Selbstverständnis ist nicht situativ, sondern in der Haustradition gewachsen. Für solch ein Tun braucht man den Konsens einer gewachsenen Gemeinschaft. Das kämpferische Element ist also da!

Dienstag, 29. Juni 2021

Hatte das ehemalige Benediktinerkloster Ansbach was mit Helfta zu tun?

Grund und Boden des Klostergrundes von Helfta wurde zur Gründungszeit in einigen Fällen von der Benediktinerabtei Hersfeld abgelöst. Patron der Abtei war der hl. Wigbert. Komischerweise gab es aber in Helfta nie eine Wigbertikirche. Eine der ältesten Kirchen des Ortes trug das Patrozinium des hl. Gumpert. Auch dieser Patron weist ins Frankenland. Allerdings nach Ansbach. An der fränkischen Mission hat sich nämlich auch eine andere Abtei beteiligt, über deren Frühgeschichte nicht gar so viel bekannt ist, wie über Hersfeld, schon gar nicht, wenn es um Besitzungen in Mitteldeutschland geht. Bekannt ist eigentlich nur, dass Karl der Große die Abtei privilegierte und beschenkte.

Schön, könnte man denken. Nur dass die 1977/78 bei Grabungen gefundene Kirche an der sogenannten "Großen Klaus", nahe des jetzigen Grabungsgebietes relativ klein war und nur auf das 13. Jahrhundert datiert wurde. Die Flurbezeichnung "Große Klaus" des Hügels weckt irgendwie andere Erwartungen. Kaum zu glauben, dass man groß und klein verwechselt hat. Denn nebendran, dort, wo jetzt die Kaiserplalz ausgegraben wird, heißt das Flurstück mit der größeren Kirche "Kleine Klaus". Seltsam -  nicht wahr?

Jedenfalls, enttäuscht das Ergebnis, wenn das alles gewesen sein soll. Alles klingt verdreht. Doch die erwähnte alte Grabungsstelle lag mehr im "Hüttengrund" als auf dem mit "Große Klaus" benannten Hügel und schnitt diesen nur an. Ein Scan mit modernen Verfahren nebst Bodenwiderstandsmessung hat dieses Areal noch nicht erfasst. Das aber wäre wünschenswert, um nichts zu übersehen.

Was wäre zu erwarten? Nach meiner Logik, verdiente - unter der Voraussetzung, dass mit der Flurbezeichnung "Klaus" eine Kirche gemeint war - die sogenannte "Große Klaus" nur dann diese Bezeichnung, wenn die dort stehende Kirche größer gewesen wäre, als die auf der "Kleinen Klaus". Dabei ist davon auszugehen, dass es eine Zeitspanne gegeben haben muss, in der die beiden Kirchen gleichzeitig nebeneinander existierten. Unter dieser Prämisse, müsste die Kirche auf der "Großen Klaus" entsprechend der Bezeichnung wenigstens eine solche Zeitspanne lang, die für eine Namensgebung ausreichend wäre, größer gewesen sein, als diejenige auf der "Kleinen Klaus".

Also ist St. Gumpert im Großformat noch nicht gefunden. Gab es vielleicht zwei auseinanderfolgende Kirchen mit gleichem Patrozinium an bzw. auf der "Großen Klaus"? Dann wäre die größere und ältere noch zu suchen. Ich denke da an die Forschungen des Würzburger Archivars Paul Schöffel, der in einem Artikel über Pfarreiorganisation (1947) auch beschrieben hat, wie ein Bischof eine Eigenkirche ablöste, nämlich, indem er einfach eine ihm gehörende Kirche daneben erbauen ließ. - Zu St. Gumpert in Helfta zurückkehrend, lässt sich die kleine Kirche mit diesem ausgefallenem Patrozinium dann vielleicht so erklären, dass diese der Ersatzbau für eine ältere Kirche war, die noch nicht zum Bistum Halberstadt gehörte. 

Benediktiner haben in erhabener Lage gebaut. Die Hügelspitze der "Großen Klaus" ist erhaben. Und das Kloster Ansbach war um das Jahr Tausend herum eine bedeutende Abtei. Könnte nicht in jener Zeit, als man auf der "Kleinen Klaus" das imposante Bauwerk zu errichten begann, das derzeit ergraben wird, die "Große Klaus" mit einer altehrwürdigen großen Benediktinerkirche geziert gewesen sein, deren Eigentümer die Benediktiner von Ansbach waren? St. Gumpert gibt jedenfalls diese Frage auf. Und ob zum Baubeginn auf der "Kleinen Klaus" nicht bereits ein kleineres Kirchlein dort bestand, das den Anlass für die Verhältnisbestimmung von "groß" und "klein" bei der Flurbezeichnung gab? - Mal sehen, was die Grabungen ergeben.

... In den nächsten Tagen folgt hier etwas Literatur dazu ...

Freitag, 25. Juni 2021

Spannende Frage - Urkunden verloren oder erst gar nicht geschrieben? Die sehr geringe Zahl an Ausfertigungen in Helfta

Gerade wird, wie vor zwei Tagen durch die Medien gegangen, die Kaiserpfalz in Helfta ausgebuddelt. Endlich! Warum aber gibt es nur eine Urkunde, die in Helfta ausgefertigt wurde? Wo sind die anderen geblieben oder gab es keine weiteren? Dabei war mindestens dreimal ein ottonischer Herrscher hier.

Zwar lässt sich diese Frage nicht einfach so beantworten. Was aber möglich ist, sind kleine Reflexionen. Sicher war das Urkundenaufkommen in einer Kanzlei immens. Sowas wie Zentralarchive gab aber es wohl noch nicht. Oder doch? Meines Wissens wurden, wenigstens bei wichtigen Urkunden zwei Ausfertigungen geschrieben, nämlich jeweils für die Parteien. Wenn also ein König oder Kaiser eine Gunst gewährte, war das ja auch für seine persönliche Dokumentation von Belang. Bei einem Reisekönigtum konnte man aber nicht in jedem Haus ein Archiv einrichten. Was hätte das denn genützt? Hat man also Pfalzen gehabt, an denen ausgestellte Diplome gesammelt und gelagert wurden? Schließlich konnte man ja nicht bei jeder Reise einen immer größer werdenden Konvoi von immer älteren Dokumenten von Ort zu Ort transportieren. 

Gab es also doch sowas wie Lagerorte für Urkundenbestände in ganz bestimmten Pfalzen bei den Ottonen, Saliern und Staufern? Dann wäre der Untergang oder die Zerstörung solch einer Pfalz mit dem Verlust einer größeren Menge an Dokumenten auch umliegender Pfalzen behaftet gewesen, aus denen eben sehr wenige Dokumente bekannt sind. Es wäre doch eine Überlegung wert. Ob man sowas anhand von Formularbehelfen herauskriegen könnte, indem man deren bevorzugte Ausstellungsorte und Regionen für Formulartypen auflistete (Natürlich nicht bei den Empfängerausfertigungen, die hätten ja überall hinreisen können.)? 

Verluste durch die Jahrhunderte sind aber auch bei den Empfängern nicht gering gewesen. Insofern kann es natürlich sein, dass in Helfta mehr als eine Urkunde ausgestellt wurde, diese aber heute verloren sind. Alternativ könnte man ansonsten auch darüber nachdenken, ob es Pfalzen gab, in die sich ein Herrscher zum Zwecke der Erholung von den Staatsgeschäften zurückzog, die also nur zu bestimmten Jahreszeiten aufgesucht wurden und deren Ausstattung dann mehr diesem Anliegen entsprach. Schließlich konnte doch auch ein Herrscher mal für eine gewisse Zeit nicht zu sprechen sein. - Ja wie hat die Diplomatik eines Reisekönigtums tatsächlich funktioniert und wo gingen die Ausstellerexemplare verloren? Kann man an diesem Punkt noch zu Antworten kommen?

Freitag, 11. Juni 2021

Nach hochheilig kommt unheilig

Jeder weiß: "Nach fest kommt ab." Ein überspannter Faden reißt. Die Frage, die sich dabei im Kontext des Heiligen stellt, ist, auf welchem Weg das in der geistlichen Welt geschieht. Wer nicht bloß abstrakte Fakten in der Geschichte konstatiert, wird diese Wellenbewegung entdecken. Warum überbordet cluniazensische Liturgie und fällt dann in die Bedeutungslosigkeit ab? Warum geht der Stern der Zisterzienser so kometenartig auf, um im Jahrhundert darauf mit Revolten, wirtschaftlicher Not und drohendem Niedergang konfrontiert zu sein? Die Frauenklöster blühen im 13. Jahrhundert, und auch hier sind knapp hundert Jahre später überwiegend Negativkonnotationen bekannt. Was geschieht da auf der geistlichen Schiene?

Das Herz klösterlichen Tuns sind Gebet und Liturgie, und dies nicht zum Selbstzweck, sondern in, mit und für die Welt. Muss man da nicht genauer schauen, was in diesem Bereich passiert(e), wenn da jeweils zyklisch solch ein Abrutschen zu verzeichnen ist? Was geschieht zuerst: der wirtschaftliche Niedergang oder der geistliche, der einen wirtschaftlichen nach sich zieht? Was ist der Grund? Ist es eine Art Fassadentuning, dergestalt, dass nach außen die altehrwürdigen Riten als Hülse fortgeführt werden, während man im Inneren auch voreinander nicht zugeben kann, dass das beständige Schweben in mystischen Höhen nicht funktioniert und in einer Art kollektiver Normsetzung, die öffentlich als überhöht zu bezeichnen, sich niemand traut, der erste zu sein, auch immer weniger funktionieren kann. So kommen wahrscheinlich nach und nach alle in den Zwiespalt, etwas als gültige Norm zu bezeichnen bzw. bezeichnen zu müssen und in seiner Bedeutung zu preisen, dessen inneres Korrelat unsichtbar geworden ist, weil der Eifer erkaltete.

Sobald das Besondere Routinecharakter bekommt, verliert es seine Erhabenheit und Zugkraft, weicht die Ehrfurcht zurück, wird es mehr verwaltet, denn verehrt. Hier dürfte die Wurzel klösterlicher Niedergänge zu finden sein. Aus ehrerbietiger Feier wird die Verwaltung einer toten Höhe, nicht weil sie tot ist, sondern weil die Praxis des Lobpreisens über den zu Lobenden gestellt wird. Dort aber, wo die jeweiligen Hüter und Hüterinnen des Heiligen gerade durch den pausenlosen Umgang mit dem Höchsten die Ehrfurcht verlieren, dort wird man das über Kurz oder Lang auch außen bemerken. So wird Glaubwürdigkeit verloren. 

Und fängt dann jemand wieder in ehrlicher, ja authentischer Weise klein und einfach an, dann laufen die Suchenden geradewegs dorthin, und der Prozess des Wachsens und Blühens beginnt von vorn.