Freitag, 11. Juni 2021

Nach hochheilig kommt unheilig

Jeder weiß: "Nach fest kommt ab." Ein überspannter Faden reißt. Die Frage, die sich dabei im Kontext des Heiligen stellt, ist, auf welchem Weg das in der geistlichen Welt geschieht. Wer nicht bloß abstrakte Fakten in der Geschichte konstatiert, wird diese Wellenbewegung entdecken. Warum überbordet cluniazensische Liturgie und fällt dann in die Bedeutungslosigkeit ab? Warum geht der Stern der Zisterzienser so kometenartig auf, um im Jahrhundert darauf mit Revolten, wirtschaftlicher Not und drohendem Niedergang konfrontiert zu sein? Die Frauenklöster blühen im 13. Jahrhundert, und auch hier sind knapp hundert Jahre später überwiegend Negativkonnotationen bekannt. Was geschieht da auf der geistlichen Schiene?

Das Herz klösterlichen Tuns sind Gebet und Liturgie, und dies nicht zum Selbstzweck, sondern in, mit und für die Welt. Muss man da nicht genauer schauen, was in diesem Bereich passiert(e), wenn da jeweils zyklisch solch ein Abrutschen zu verzeichnen ist? Was geschieht zuerst: der wirtschaftliche Niedergang oder der geistliche, der einen wirtschaftlichen nach sich zieht? Was ist der Grund? Ist es eine Art Fassadentuning, dergestalt, dass nach außen die altehrwürdigen Riten als Hülse fortgeführt werden, während man im Inneren auch voreinander nicht zugeben kann, dass das beständige Schweben in mystischen Höhen nicht funktioniert und in einer Art kollektiver Normsetzung, die öffentlich als überhöht zu bezeichnen, sich niemand traut, der erste zu sein, auch immer weniger funktionieren kann. So kommen wahrscheinlich nach und nach alle in den Zwiespalt, etwas als gültige Norm zu bezeichnen bzw. bezeichnen zu müssen und in seiner Bedeutung zu preisen, dessen inneres Korrelat unsichtbar geworden ist, weil der Eifer erkaltete.

Sobald das Besondere Routinecharakter bekommt, verliert es seine Erhabenheit und Zugkraft, weicht die Ehrfurcht zurück, wird es mehr verwaltet, denn verehrt. Hier dürfte die Wurzel klösterlicher Niedergänge zu finden sein. Aus ehrerbietiger Feier wird die Verwaltung einer toten Höhe, nicht weil sie tot ist, sondern weil die Praxis des Lobpreisens über den zu Lobenden gestellt wird. Dort aber, wo die jeweiligen Hüter und Hüterinnen des Heiligen gerade durch den pausenlosen Umgang mit dem Höchsten die Ehrfurcht verlieren, dort wird man das über Kurz oder Lang auch außen bemerken. So wird Glaubwürdigkeit verloren. 

Und fängt dann jemand wieder in ehrlicher, ja authentischer Weise klein und einfach an, dann laufen die Suchenden geradewegs dorthin, und der Prozess des Wachsens und Blühens beginnt von vorn.