In
den Statuten, die vier Zisterzienseräbte Ende der 20er Jahre des 12.
Jahrhunderts für das Kloster Jully ausgearbeitet hatten, war das
Eintrittsalter auf 15 Jahre gesetzt worden.1
Aus Nachrichten über eintretende oder eingetretene Frauen im Kontext
der ersten zisterziensischen Frauenklöster, lässt sich zumindest
schließen, dass die erwachsenen Frauen, d.h. Ehefrauen, Mütter,
Geschwister von Mönchen oder verwitwete Frauen, zunächst in
größerer Zahl an dieser Entwicklung Anteil nahmen.2
Was diese Frauen an Bildung und Fähigkeiten besaßen, brachten sie
damit zwangsläufig mit. War eine Ausbildung jenseits einer
Einführung in klösterliche Gebräuche dann überhaupt notwendig? Es
scheint, als hätte es anfangs hinsichtlich der Altersfrage ähnliche
Einstellungen in zisterziensischen Männer- wie in Frauenklöstern
gegeben. So es sich also nicht bloß um eine Überlieferungslücke
handelt, kann man sagen, dass Nachrichten über Dotationen, welche im
Zusammenhang mit dem Eintritt Minderjähriger stehen könnten, aus
der Anfangszeit kaum zu finden sind. Beispielhaft seien hier einige
der frühen Klöster angeführt: Tart: Die erste Äbtissin,
Elisabeth de Vergy, kam mit ihren Schwestern - eine Priorin Maria ist
noch namentlich genannt - aus dem Kloster Jully.3
Die Anfänge waren offenbar bescheiden, wie das Gründungsdokument
und die recht späte Kirchweihe annehmen lassen.4
Schon 1147 erhält das Kloster die begehrte Exemtion, da es den
Lebensunterhalt mit eigener Hände Arbeit verdient. Die ehemalige
Herzogin von Lothringen, Adelheid, Mutter des amtierenden Herzogs,
fand zwischen 1139 und 1142 Aufnahme dort.5
Sonst lässt sich niemand identifizieren. Montreuil: Aus der
überlieferten Lobrede des Hermann von Tournai über dieses Kloster6,
in dem die Frauen sogar Rodungstätigkeiten selbst unternahmen, kann
man indirekt schließen, dass dies primär kein Ort für
Kindererziehung war. Auch für die ersten deutschen Klöster scheint
dies zuzutreffen. Da der Lebensunterhalt mit eigener Handarbeit zu
erbringen war und die Anfänge ärmlich, konnte auch wenig Interesse
bestehen, Kinder in diese Gemeinschaften aufzunehmen: Wechterswinkel:
Aus dem 12. Jahrhundert überlieferte Eintritte benennen eine matrona
namens Gepa von Brenten7,
sodann die Witwe des Grafen Hermann von Stahleck8,
danach noch eine zusammenfassende Urkunde von 1179, die den Eintritt
zweier Mitglieder einer Familie im Zusammenhang mit einer Schenkung
nennen9.
In den ersten zwanzig Jahren des Bestehens sind es also auch hier
vorwiegend Erwachsene, die diesen Weg beschreiten. Die spärliche
Überlieferung von Königsbruck nennt in der Anfangszeit auch
nur erwachsene Frauen.10
Schauen
wir ein Jahrhundert weiter, so hat sich das Bild offenbar total
gewandelt. Wir wissen, dass – um nur einige zu nennen - die
berühmte Nonne Mechtild von Hackeborn mit 7 Jahren ins Kloster kam.11
Gertrud die Große von Helfta war sogar schon mit fünf Jahren
aufgenommen worden.12
Auch Hiltgart von Hürnheim kam anscheinend mit sieben Jahren in das
Heiligkreuzkloster Zimmern.13
Im 13. Jahrhundert scheint dieses Aufnahmealter offenbar der
Normalzustand gewesen zu sein.14
Da diese hier genannten Frauen allesamt hochgebildet waren und
bedeutsame Werke hinterließen, kann es als sicher gelten, dass es
die Klöster waren, denen diese Frauen ihre Ausbildung verdankten.
Damit erhebt sich die Frage, ab wann man dazu überging, in größerem
Stil erzieherisch tätig zu werden und welche Überlegungen und evtl.
auch Zwänge dazu führten. Die genannten Frauen verfügten immerhin
über reiche Kenntnisse in lateinischer Sprache, beherrschten die
Grammatik, hatten eine musikalische Ausbildung und waren darüber
hinaus belesen, was die Heilige Schrift und auch das theologische
Wissen ihrer Zeit anging.15
Man
könnte sich nun weiter fragen, ob es eher soziologische oder primär
wirtschaftliche Gründe waren, die einer Aufnahme von Kindern den Weg
bahnten, aber auch, in welcher Weise die kirchlichen Forderungen nach
strenger Klausur die Ausrichtung der Tätigkeitsfelder beeinflusste
und die Attraktivität der Frauenklöster dadurch sogar steigerte.
Die zahlreichen Eintritte und die vielen Neugründungen der
zisterziensischen Nonnenklöster im 13. Jahrhundert könnten
jedenfalls auch etwas damit zu tun haben, dass sich mit dem
Eintrittsalter auch das angestrebte Bildungsniveau verändert hatte.
1 Item
quod nulla infra quindecim annos recipiatur. Jean LECLERCQ,
Études sur Saint Bernard et le texte de ses écrits. ASOC 9
(1953) 13f, hier 14. Nach dem Manuscript 594 von Troyes (Clairvaux
Q13).
2 Das
trifft bereits für das zunächst benediktinische Jully zu, das hier
aber nicht weiter betrachtet werden soll.
3 Aus
der Fülle der hierzu vorhandenen Literatur sei hier exemplarisch
ein sehr lesenswerter älterer Beitrag genannt: Jean de la Croix
BOUTON, L'établissement
des moniales cisterciennes, MSHDB
15 (1953) 83 – 116.
4 Gemeint
ist die Pankarte von 1132, die nebst aktueller herzoglicher Spende
noch drei frühere Schenkungen bestätigt: 78 H 1042 /1, Archives
départementales de la Côte - d ' Or.
5 Jean
LECLERCQ, La femme et les femmes dans l'oeuvre de Saint Bernard
(Paris 1983) 32.
6 Miracula
S. Mariae Laudunensis, PL 156, Paris 1853, Sp. 1001f.; Hildegard
BREM / Alberich M. ALTERMATT, Neuerung und Erneuerung. Wichtige
Quellentexte aus der Geschichte des Zisterzienserordens vom 12. bis
17. Jahrhundert (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur 6,
Langwaden 2003) 74.
7 StA
Wü Historischer Verein, Urkunden 1143.
8 Deren
Eintritt in Wechterswinkel ist durch ihren Briefwechsel mit
Hildegard von Bingen belegt:
Hildegardis Bingensis Epistolarium, 2
Bde, hg. Von L. VAN ACKER (Turnholt 1993) hier Bd. II 508f, Briefe
232 und 233.
9 StA
Wü WU 7055. Der hier bestätigte Sachverhalt lässt sich anhand der
im Urkundentext genannten früheren Zeugen vor 1162 datieren, denn
der genannte Eggehardus de Herbesuelt bezeugt letztmalig 1161
eine Urkunde. Damit hat sich der erste der beiden beschriebenen
Eintritte etwa zu Beginn der 50er Jahre ereignet. Über das Alter
der beiden Töchter ist allerdings nichts zu erfahren.
10 René
BORNERT, Les Monastères d'Alsace. Bd. 5. Abbayes et Monastères de
Cisterciens et de Cisterciennes. Des origines à la Révolution
française, (Strasbourg
2011) 446: collectio dominarum.
11 Mechthild
von HACKEBORN, Das Buch
der besonderen Gnade, (Quellen der
Spiritualität) übers., eingeleitet und bearb. von Klemens SCHMIDT,
(Münsterschwarzach
2010).
12 Gertrud
von HELFTA, Exercitia spiritualia. Geistliche Übungen. Lateinisch
und deutsch, hg. Und kommentiert von Siegfried RINGLER (Elberfeld
2001) 13.
13 Das
mutmaßliche Eintrittsalter hier ist rekonstruiert anhand einer
größeren Schenkung ihres Vaters und einem Verweis auf ihr
jugendliches Alter im Vorwort ihres Übersetzungswerkes.
Reinhold MÖLLER (Hg.), Hiltgart von
Hürnheim. Mittelhochdeutsche Prosaübersetzung des „Secretum
Secretorum“, (Deutsche Texte des Mittelalters 56, Berlin 1963)
Einleitung LXIV.
14 Es
sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass es sich jenseits
dieser belegbaren Beispiele, meines Wissens eher um eine
verallgemeinerte Behauptung (hierbei auch die klassischen
Benediktinerinnenklöster mit eingeschlossen) als um eindeutiges
Wissen handelt, denn das Urkundenmaterial vieler
Zisterzienserinnenklöster ist bisher noch gar nicht aufgearbeitet,
geschweige denn auf eine solche Fragestellung hin untersucht worden.
Einigermaßen sicher kann man vielleicht nur sagen, dass der
Eintritt von Kindern bedeutend häufiger gewesen zu sein scheint als
im vorangegangenen Jahrhundert.