Wenn
Benedikt in seiner Regel von fremden Mönchen spricht, geht es ihm um
die Lebensweise im Sinne einer zu praktizierenden christlichen Form
der Gastfreundschaft.1
Die mitunter daraus folgende Eingliederung Einzelner in den Konvent
steht zunächst unter diesem Vorzeichen. Dass es sich dabei
mehrheitlich wohl nicht um solche Fremdlinge handelte, bei denen es
zu ernsthaften Sprachbarrieren gekommen wäre, erschließt sich
daraus, dass in dem Kapitel auch auf Gespräche und Unterredungen
verwiesen wird, in denen der fremde Mönch eine begründete Kritik
äußern oder auf etwas aufmerksam machen konnte (RB 61,4).
Bedingt durch Pilgerreisen und das unter asketischem Aspekt geübte
Wandermönchtum sowie auch aus Gründen der Aus- und Weiterbildung in
speziellen Fertigkeiten kam es zu vielfältigen Begegnungen mit
Vertretern anderer Gemeinschaften und damit einem beständigen
Austausch von Nachrichten, was die enge Verbundenheit der
verschiedenen Klöster trotz der zurückgezogenen Lage ihrer
Standorte unterstreicht. Nun hat es nicht nur große männliche
Anachoreten und Seelenführer gegeben, sondern auch geistliche
Mütter, deren Weisung und Rat gesucht und befolgt wurde2.
Pilgerreisen frommer und abenteuerlustiger Frauen sind beschrieben3.
Sehr wahrscheinlich hat es also auch ein monastisches Wandern von
Frauen aus asketischem und missionarischem Antrieb gegeben. Hätte
beispielsweise die heilige Walburga ihr Klosterleben ohne solchen
Eifer nicht in ihrem Heimatland beendet? Ob und wie sich dieses
Wandern weiblicher Ordensleute von der Praxis der Mönche
unterschied, wie solche Ortsveränderungen durch männliche Verwandte
eventuell vorbereitet, gesteuert und begleitet wurden, darüber
könnte man sich sicher noch durch vertieftes Quellenstudium kundig
machen und dabei einiges entdecken. Mir soll es hier eher um die
Frage der verbalen Kommunikation fremder Religioser untereinander
gehen, die bis ins Mittelalter hinein für die Klöster offenbar kein
Problem darstellte.
Wenn
sich spätestens seit der Frühen Neuzeit mit dem Rückgang
lateinischer Sprachkenntnisse und der Etablierung der jeweiligen
Landessprachen auch in der Schriftkultur die Möglichkeiten des
gegenseitigen Verstehens für Menschen verschiedener Herkunft
veränderten und ein Leben in strengster Klausur und Schweigen an einem ganz
konkreten Ort ein zusätzliches, die Sprachkompetenz beeinflussendes Hindernis für Nonnen darstellte, so
könnte es von Interesse sein, wie sich verbale
Kommunikationsprobleme fremder Konventualinnen, welche beispielsweise
durch Vertreibung und Auflösung ihrer eigenen Klöster in andere
Gemeinschaften übertraten, auf das klösterliche Zusammenleben
auswirkten. Hier denke ich vor allem an die französischen Konvente, die Aufnahme im deutschsprachigen Gebiet suchten. Einen anderen Blickwinkel auf die verflochtenen Beziehungen von Klöstern kann man bekommen, wenn man auf diejenigen Gemeinschaften im Osten schaut, die in einem mehrheitlich protestantisch gewordenen Umfeld dadurch den Fortbestand sicherten, dass sie Novizen aus entfernteren katholischen Regionen aufnahmen und sich im Rahmen der Möglichkeiten eines kontemplativen Klosters aus existenziellen Gründen ganz bewusst für eine Art Offenheit (wie sie sich im Detail ausgewirkt haben mag, ist vorerst noch nicht eingehend erforscht) entschieden4.
In den biblischen
Texten zum Pfingstfest ist von zwei Ereignissen, in denen Kommunikation wesentlich ist, die
Rede: Beim Turmbau zu Babel (Gen
11, 1-9)
wird deutlich, dass das gemeinsame, die menschliche Anmaßung
illustrierende Bauvorhaben, mit der Verwirrung der Sprachen ein
plötzliches Ende fand. Das Pfingstwunder, bei dem jeder
die
Apostel in
seiner Sprache […]
reden
hörte (Apg
2, 6),
bezog Menschen verschiedener Herkunftsländer in das Verstehen der
Ereignisse ein, bewirkte also Gemeinschaft. Fachliche Kompetenz und
gemeinsames Streben auf ein Ziel hin finden dort eine Grenze, wo sie
/ es sprachlich nicht vermittelt werden kann. Sprachbarrieren können damit elementare Hemmschuhe im Miteinander sein und sollten dadurch in
gewisser Weise auch für
Klöster historisch
greifbar sein. Wie wirkten sie
sich also in kontemplativen Gemeinschaften aus? In welcher Form nahm man darauf im Alltag Rücksicht, z.B. bei
Ansprachen, Absprachen und der Erklärung von zu übertragenden
Aufgaben? Wie geschah und geschieht Integration fremdsprachiger
Mitglieder in klösterlichen Gemeinschaften in Deutschland? Gibt es
Hinweise auf Veränderungen der Konvente durch die Öffnung für
diese Menschen und ihre Traditionen? Gegenwärtig gibt es unter den Ordensleuten in
deutschen Zisterzienserinnenkonventen Schwestern aus Ungarn,
Österreich, Bolivien, Dänemark, Rumänien (ohne Anspruch auf
Vollständigkeit). Wenn Kommunikation ein wesentlicher Aspekt
gelebten Miteinanders ist, so könnte ein Blick auf die gegenseitige
Anstrengung bei der Überwindung von Sprach- und Sozialisationsproblemen im weitesten Sinn einen wichtigen
Hinweis auf den je zeitbedingten Umgang mit den eigenen nationalen und traditionalistischen
Tendenzen geben.
1Ausführliches
zum Kontext und den Hintergründen dieses Kapitels: Michaela
PUZICHA, Kommentar zur Benediktusregel. Mit einer Einführung von
Christian Schütz. Hg. Von der Salzburger Äbtekonferenz (St.
Ottilien 2002) 515-522. Zum Aspekt der Kommunikation und Integration
äußert sich im Kontext des Kapitels RB 61: Bruno FROMME, Der Liebe
zu Christus nichts vorziehen. Anstöße aus der Regel des hl.
Benedikt. Hg. Von der Säkularvereinigung Similitudo Dei
(Großlittgen 2004) 332-334.
2Genannt
seien hier beispielsweise die Frauen Synkletia und Theodora aus den
Apophthegmata Patrum. Weitere Beispiele großer frühchristlicher
monastisch lebender Frauengestalten finden sich in folgendem Werk: Sophronia FELDHOHN / Jakobus
KAFFANKE, Sich täglich den Tod vor Augen halten. Sterbeberichte
früher Mönche und Nonnen. (Weisungen der Väter 2, Beuron ²2010).
3Für
die Zisterzienserinnengeschichte ist hier die von Thomas von
Froidmont überlieferte Geschichte seiner Schwester Margareta von
Beverly zu nennen. Edition: Paul Gerhard SCHMIDT, ' Peregrinatio periculosa'. Thomas von Froidmont über die Jerusalemfahrten seiner Schwester Margareta. In: Kontinuität und Wandel. Lateinische Poesie von Naevius bis Baudelaire. Franco Munari zum 65. Geburtstag. Hgg. von Ulrich Justus STACHE, Wolfgang MAAZ und Fritz WAGNER (Hildesheim 1986) 461 - 486. Jenseits der Zisterzienserinnengeschichte kann auch die von ihr selbst beschriebene Pilgerreise der Egeria über ein derartiges Unternehmen näher informieren, in deren Einleitung Georg Röwekamp noch weitere Namen pilgernder Frauen - hier des 4. und 5. Jahrhunderts - nennt: EGERIA, Itinerarium. Reisebericht. Lateinisch - Deutsch, übers. u. eingeleitet v. Georg RÖWEKAMP unter Mitarbeit v. Dietmar THÖNNES (Fontes Christiani 20, Freiburg / Basel / Wien / Barcelona / Rom / New York 1995).
4Notiert z.B. jüngst für Neuzelle im Beitrag: Helmut FLACHENECKER, Kirchliche Raumordnung im Spannungsfeld zwischen Beharrung und Wandel. Die Apostolische Administratur des Bistums Meißen in den Lausitzen. In: Die Nieder- und Oberlausitz - Konturen einer Integrationslandschaft: Band III: Frühes 19. Jahrhundert, hgg. von Thomas BRECHENMACHER, Heinz-Dieter HEIMANN, Klaus NEITMANN (Berlin 2014) 55-70, hier 61.
4Notiert z.B. jüngst für Neuzelle im Beitrag: Helmut FLACHENECKER, Kirchliche Raumordnung im Spannungsfeld zwischen Beharrung und Wandel. Die Apostolische Administratur des Bistums Meißen in den Lausitzen. In: Die Nieder- und Oberlausitz - Konturen einer Integrationslandschaft: Band III: Frühes 19. Jahrhundert, hgg. von Thomas BRECHENMACHER, Heinz-Dieter HEIMANN, Klaus NEITMANN (Berlin 2014) 55-70, hier 61.