Bis
vor kurzem habe ich Sedulius, einen Autor aus dem 5. Jahrhundert, nicht
gekannt. Doch mittlerweile schätze ich ihn ob seiner Originalität.
Leider muss man sich bis heute doch die Arbeit machen, ihn zu
übersetzen, wenn man ihn kennenlernen möchte. Aber immerhin besteht, wenn man es an den Publikationen der letzen Jahre misst, doch ein
wissenschaftliches Interesse an ihm.
Wenn
man die oben genannten beiden Fragesätze ansieht, kann man eine
Ähnlichkeit wohl kaum bestreiten. Der Zusammenhang dazu ist
beeindruckend originell. Vielleicht würde eine allzu fromme Seele
heutiger Tage bei dem Vergleich distanzierend die Augenbrauen
hochziehen. Andererseits hat solcherart zielgerichtet getroffene
Wortwahl, entlehnt und mit Bedacht umgeformt, das Carmen Paschale
des Sedulius durch die Jahrhunderte so attraktiv gemacht, denn eine
kontrastierende Zitierweise aufgrund ähnlicher Sinnzusammenhänge ist
kein Einzelfall im
Werk. (1)
Der
erste der beiden Fragesätze entstammt der Fabel Nr. 53 des Äsopius Latinus (2), der
zweite ist die entsprechende Umformung bei Sedulius (3). In der Fabel geht
es um ein arrogantes Pferd, das als glanzvoll-prächtige Erscheinung
einen beladenen Esel fast überrennt und auch noch demütigt. Beide
begegnen sich wieder, als das Pferd nur noch den Status eines Ackergauls
fristet, und der Esel stellt jene Frage nach dem warum? Treffender kann
man einen sozialen Abstieg wohl kaum in einer Frage beschreiben.
Bei
Sedulius geht es gewissermaßen auch um
einen 'sozialen' Abstieg, um ein Verarmen. Doch diesmal geschieht -
theologisch gesprochen - genau
das Gegenteil. In Liber II, 49 besingt Sedulius den Glanz des
neugeborenen Christus mit einer Klimax (lux-nitor-splendor) und zitiert
dann noch Psalm 19, den Sonnenglanz. Und er führt im Nachgang die Armut
des Gottessohnes, den Philipperbrief zitierend, aus. Hier stehen Armut
und Glanz glorifizierend nebeneinander. Man
kann den 'geklauten' Vergleich des Sedulius skurril oder mutig finden.
Für seine Aussageabsicht, die Selbsterniedrigung Gottes zur Erlösung des
Menschen, ist er nur logisch, zumal ihn damals jeder verstand.
Dies könnte bloß Literatur des 5. Jahrhunderts sein und damit nichts mit dem Thema dieses Blogs zu tun haben. Fehlanzeige! Eben dieser Sedulius war im 12. Jahrhundert hochgeschätzt. Man sollte schon davon ausgehen, dass dieser spätantike Dichter für die Liturgie des Hochmittelalters - und hier gerade auch in den Frauenklöstern (z.B. die Reminiszenzen im Speculum Virginum) - eine ernstzunehmende Größe war. Warum nicht mal lesen, was unsere Vorfahren so lasen?
1 Vgl. Carl P. E. SPRINGER (Übersetzer und Kommentator), Sedulius, The Paschal Song and Hymns, Society of Biblical Literature, Writings from the Greco-Roman World, Bd. 35, Atlanta 2013, Introduction S. XXX.
2 Georg THIELE , Der lateinische Äsop des Romulus und die Prosa-Fassungen des Phädrus. Kritischer Text mit Kommentar und einleitenden Untersuchungen, Hildesheim, Zürich, New York, Olms-Verlag, 1985, Nachdruck der Ausgabe Heidelberg 1910, 166 - 172, Nr. 53 ( Buch III, Fabel III).
3 SEDULIUS , Opera omnia, herausgegeben von Johannes H UEMER , ergänzt von Victoria PANAGL, Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, Band 10, Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften, ²2007, Liber II, 49.
Dies könnte bloß Literatur des 5. Jahrhunderts sein und damit nichts mit dem Thema dieses Blogs zu tun haben. Fehlanzeige! Eben dieser Sedulius war im 12. Jahrhundert hochgeschätzt. Man sollte schon davon ausgehen, dass dieser spätantike Dichter für die Liturgie des Hochmittelalters - und hier gerade auch in den Frauenklöstern (z.B. die Reminiszenzen im Speculum Virginum) - eine ernstzunehmende Größe war. Warum nicht mal lesen, was unsere Vorfahren so lasen?
1 Vgl. Carl P. E. SPRINGER (Übersetzer und Kommentator), Sedulius, The Paschal Song and Hymns, Society of Biblical Literature, Writings from the Greco-Roman World, Bd. 35, Atlanta 2013, Introduction S. XXX.
2 Georg THIELE , Der lateinische Äsop des Romulus und die Prosa-Fassungen des Phädrus. Kritischer Text mit Kommentar und einleitenden Untersuchungen, Hildesheim, Zürich, New York, Olms-Verlag, 1985, Nachdruck der Ausgabe Heidelberg 1910, 166 - 172, Nr. 53 ( Buch III, Fabel III).
3 SEDULIUS , Opera omnia, herausgegeben von Johannes H UEMER , ergänzt von Victoria PANAGL, Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, Band 10, Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften, ²2007, Liber II, 49.