Dienstag, 1. Januar 2019

Carta Caritatis statt Inkorporationsbeschluss für Zisterzienserinnen im 12. Jahrhundert

In diesem Jahr 2019 feiert der Zisterzienserorden 900 Jahre Carta Caritatis. Es wird Tagungen, Treffen und auch Informationsveranstaltungen geben, die dieses Ereignis zu würdigen suchen. 
Auch wir werden mitfeiern.

Wenn ich so darüber nachdenke, was das bedeutet, dann kommen mir auch ungewöhnliche Gedanken: Welche Bedeutung hat die CC für die Frauenklöster gehabt? Ja - welchen Stellenwert hatte die Befolgung von Elementen der CC in der zeitgenössischen Beurteilung für die Beantwortung der Frage, ob ein Frauenkloster 'OCist' war oder nicht? Woran machte man denn die 'Ordensmitgliedschaft' fest, die in so mancher Urkunde aktenkundig wurde, wenn nicht an den 'Consuetudines', anhand derer ein Auftreten und Praktizieren zum sichtbaren Ausdruck von Zugehörigkeit wurde?

Wir feiern nicht 900 Jahre Generalkapitel, wobei es sicher auch schwierig wäre, festzulegen, wann eine erste solche Veranstaltung stattgefunden hätte, die größer war als ein gemeinsames Konventkapitel von mehr als zwei oder drei Häusern und folglich diesen Namen verdiente. Dabei wird es sicher nicht bloß um die Schwierigkeit einer exakten Terminbestimmung gehen. Wenn auch die Bedeutung der Generalkapitel in ihrer legislativen Kraft und in ihrer Flexibilität bezüglich einer zeitnahen Antwort auf aktuelle Gegebenheiten unbestritten ist, so setzt die Funktion dieses Gremiums doch eine gemeinsame Richtschnur voraus, eben jene Carta Caritatis. Was also ist wichtiger - die Satzung oder deren Aktualisierung?

Der Streit ist alt. Spätestens seit der Veröffentlichung der Generalkapitelsstatuten durch Canivez, ist es gängige Praxis, die Zugehörigkeit von Frauenklöstern zum Zisterzienserorden an irgendeinem GK - Beschluss oder zumindest an einer erwähnenden Behandlung dort festzumachen. Das mag im 13. Jahrhundert durchaus plausibel sein. Für das 12. Jahrhundert leuchtet mir das jedoch nicht ein. Problematisch erscheint mir dabei, dass aus der Nichterwähnung auf Nichtzugehörigkeit geschlossen wird, obwohl man manchmal sogar zisterziensische Betreuung nachweisen kann und der Begriff 'Zisterzienserorden' in den Urkunden fällt: so bei Ichtershausen und Wechterswinkel beispielsweise. Ist der Inkorporationsbegriff wirklich und immer noch der 'Stein der Weisen'? Ist die Befolgung einer Observanz, die man ja durchaus als 'imitatio' bezeichnen kann, nämlich als Nachahmung einer gegebenen Ordnung, etwas Unrichtiges? Wer hätte denn schon jedes kleinste Detail im Mutterkloster wirklich exakt an einem neuen Standort identisch nachahmen können? Könnte man nicht auch bei gegebener Observanz und dem Nichtvorhandensein einer Ablehnung durch den Orden auf Zugehörigkeit schließen? Ich meine soetwas wie Sensitivität und Spezifität. Eine gewisse Fehlerrate wird es immer geben. Die Genauigkeit aber liegt auch in der Fragestellung und in den für eine solche Fragestellung erarbeiteten Kriterien.

Ich finde, es wäre doch ein guter Beitrag, auf dieser Basis nach Indizien für eine Zisterzienserobservanz gemäß der CC in den Archivalien umstrittener OCist - Frauenklöster zu suchen, beispielsweise anhand der Liturgie, der Feste, der von benediktinischem Liedgut abweichenden Notationen, der so anderen Hymnen etc. und diese Hinweise dann auch ernst zu nehmen.