Freitag, 16. Juni 2017

Ausrichtung einer Interessenlage und ihre Wirkung

Zugehörigkeiten haben gewöhnlich auch Konsequenzen hinsichtlich gedanklicher Konzepte und Einstellungen, die ja den Überbau für konkrete praktische Umsetzungen bilden. So könnte es doch auch eine spannende Frage sein, wie sich das jahrhundertelange "Gezerre" um die Definition einer klösterlichen Einrichtung auf die Innenseite und die Ausbildung darin auswirkte. Was veränderte eine Inkorporation oder auch nicht? Natürlich sind das Veränderungen, die unter Umständen längere Zeit brauchen, bis sie sichtbar werden. Doch im Kloster geht ja vieles an Veränderung im Prozess über lange Zeit. Steter Tropfen höhlt den Stein! Die Frage also, ob man bischöflichen Rechtes ist oder exemt und nur dem Papst verpflichtet, könnte im Ringen um Einfluss und Macht auch Auswirkungen auf die Sichtweise alltäglicher monastischer Inhalte gehabt haben, einmal ganz jenseits der rechtlichen Strukturen. Wieviel Möglichkeiten wurden beispielsweise zu unterschiedlichen Zeiten unter den je verschiedenen Bedingungen den Oberen gelassen, sich an den Normen, Impulsen und Ideen der eigenen Ordensgemeinschaft zu orientieren? Und wieviel Anderes haben Weltkleriker an Impulsen und Normen hineingetragen, was ja durchaus positiver Absicht gewesen sein kann? Wer als Bischof Herr über viele Klöster verschiedener Zugehörigkeit war, kannte der sich mit spezifischen Charakteristika aus oder interessierte ihn das? Vielleicht manchmal. Und was ein Weltkleriker davon wusste und welchen Bezug er dazu herstellen konnte, dürfte auch sehr unterschiedlich gewesen sein. Doch gerade über Predigten oder Messeinführungen kamen alltäglich Impulse hinein, die bei immer gleichen Strukturen im Alltag umso mehr Bedeutung haben konnten. Und auch die Beichte könnte gerade im Zeitalter einer Theresa von Avila ein bedeutendes Medium der Einflussnahme gewesen sein, das mit der Zeit das Denken und Handeln der Nonnen verändern konnte. Neben der Wirkung dessen, was jeweils in geistlicher Hinsicht modern und "in" war, finden sich hier bedeutende Möglichkeiten, eine Prägung zu geben, die jenseits der Ursprungsintention des Ordens lag. Und die zeitbedingt aufgedrückten Stempel von verworfenem Leben, welches die Notwendigkeit von Reformen erforderte, muss man - je nach der Person, die zu diesem Schluss kam - ganz klar auch vor dem Hintergrund der Schaffung von Einflusskompetenzen und anderen Eigeninteressen sehen. Hier ist ein ganzer Acker, den man bearbeiten könnte, wenn man die Entwicklung der Frauenklöster betreffs des Erhalts oder Verlusts ihrer Ordensidentität durch die Jahrhunderte vor dem Hintergrund der äußeren Interessen und Begrenzungen einmal näher ansieht.

Dienstag, 13. Juni 2017

Von Ohr zu Ohr - Lernen und Lerninhalte vor Ort

Es dürfte einmal ganz interessant sein, sich in deutschen Zisterzienserinnenklöstern umzuhören, was den einzelnen Nonnen so in ihrem Noviziat beigebracht wurde. Dabei denke ich nicht primär an die Generation der letzten 10 oder 20 Jahre, sondern die Generation davor. Erst seit dem Jahr 2000 gibt es ja eine den Anforderungen des II. Vatikanischen Konzils entsprechende neue "Ausbildungsordnung des Zisterzienserordens" und in der Folge entstand ein  dreijähriger internationaler Ausbildungskurs in Rom, was in jüngerer Zeit viel in Bewegung und auch Aufschwung gebracht hat. 
Die Frage, die ich mir stelle: Wann kam das Zisterziensische in die Ausbildung der Nonnenklöster? Erst nach dem Jahr 2000? Und ist das "Zisterziensische" mit Bernhard von Clairvaux und den Zisterzienservätern für ein Frauenkloster schon ausreichend zisterziensisch? Das klingt vielleicht etwas komisch, doch man müsste es wirklich genauer untersuchen. Schließlich hat erst das Dokument Perfecta Caritatis des Konzils eine Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Gründungscharisma verlangt, was konsequenterweise das Charisma der Frauen miteinschließen würde. Nicht, dass man nicht schon immer gewusst hat, wer den Orden gegründet hat und welche großen Heiligen er hervorgebracht hat. Doch mit der Inhaltsseite der eigentlichen Ordensheiligen haben sich - einmal jenseits des Bernhard von Clairvaux - nur wenige ausgekannt, zumal eine Übersetzung vieler dieser Werke erst nach dem Konzil einsetzte. Wenn das Interesse an den Zisterzienservätern und die Zisterzienserforschung im Sinne einer Suche nach der ureigenen Spiritualität auch bei den Männerklöstern erst im Laufe des 20. Jh.'s in den Fokus rückte, so ist es ja nicht verwunderlich, dass solches Quelleninteresse in den Frauenklöstern erst mit gewisser Latenz Einzug hielt und hier sicher auch nicht gleich flächendeckend, sondern je nach dem Engagement und Interesse der Oberen in dieser Sache. Erschwerend kam von der 'Gelehrtenseite' vor allem in deutschen Landen dann auch noch die Streitfrage der Inkorporation hinzu, die den Blick auf die eigenen Ursprünge eher verstellte. Hat sich schon einmal jemand damit befasst, welche Auswirkungen aktuelle Lehrmeinungen der Geschichtsforschung auf das konkrete Zisterzienserleben der letzten 50 Jahre hatten? 
Antworten nach dem praktischen "Wie" zisterziensischen Nonnenlebens hat man sich doch oft genug aus den Schriften einer Theresa von Avila und der Therese von Lisieux geholt. Den Beitrag dieser Heiligen auf das monastische Leben in den Klöstern möchte ich nicht schmälern. Aber wäre es nicht genauso befremdlich, wenn diese zwei genannten Frauen bei den Zisterzienserinnen bekannter wären als bei Karmelitinnen, die dafür aber die zisterziensischen Mystikerinnen präferierten? Immerhin gehörten doch die drei Helftaer Frauen ganz in die erste Reihe, wenn es um eine monastische Identitätssuche im eigenen Lager ging. Spezifisch feminine Anfragen an das OCIST - Charisma sind bis  heute noch eher ein Forschungsthema. Es ist eine recht schwierige Frage, woran man die zisterziensische Identität im Zugehörigkeitsgefühl in den Frauenklöstern früher festmachte: am jeweiligen Ort, an der Kleidung, an den Bräuchen, an der Feier spezieller Heiliger oder schlicht an der Gesetzgebung? Ich frage das deshalb, weil ein Lehrer ja nur lehren konnte, was er wusste und selbst gelernt hatte. Sicher ist dieser Aspekt nur ein Aspekt einer monastischen Ausbildung, doch ist es wohl einer der wenigen, die die Geschichtsforschung in den Blick nehmen kann.