Donnerstag, 23. Januar 2014

Heinrich Seuse und seine Rezeption bei den Zisterzienserinnen

Dass Dominikaner bereits im 13. Jh. in Helfta die Seelsorge zisterziensischer Nonnen versahen, ist anhand der reichen Literatur zu den Werken der 3 berühmten Mystikerinnen von Helfta erarbeitet. Nach meiner Kenntnis ist aber bisher nichts darüber bekannt, wie sich die seelsorgliche Tätigkeit dieser Prediger auf die Spiritualität der Nonnen auswirkte, wie deren geistliches Werk in den Gemeinschaften später rezipiert wurde. Der Dominikaner und deutsche Mystiker Heinrich Seuse (1295 - 1366), dessen Gedenktag die katholische Kirche heute begeht, hat wie sein Zeitgenosse Meister Eckart mit seinen Erfahrungen, seinem Denken und Wirken die geistliche Welt des 14. Jahrhunderts geprägt und war vor allem im süddeutschen Raum und in der Schweiz in der Nonnenseelsorge tätig. Es wäre eine eigene Forschungsarbeit wert, sich diesen dominikanischen Einflüssen in der Spiritualität und Lebenswelt der spätmittelalterlichen Zisterzienserinnen zu widmen, angefangen mit der Suche nach seinen Werken in den überlieferten Bibliotheksbeständen bis hin zu Überlieferungen des monastischen Alltags, ggf. auch differenziert nach exemten und nicht exemten Klöstern.

Sonntag, 12. Januar 2014

Taufe, Aufnahme und Profess - einige Fragen


Das Fest der Taufe des Herrn im Zusammenhang mit der Ordensgeschichte anzusehen, gibt Anlass, einmal zu fragen, wie es sich denn mit der Entstehung der Ordensnamen in der Geschichte verhält und ab wann sie üblich wurden. Frühe Namensveränderungen sind bei den Päpsten bekannt. Auch ist die Umbenennung des Angelsachsen Winfrid in Bonifatius ein Beispiel solcher Praxis im religiösen Kontext. Doch ab wann haben sich die Klöster regelmäßig einer solchen Tradition bedient? Die Zeremonie des Namenswechsels und die Symbolik von Einkleidung und Profess transportieren im Hintergrund viele theologische Gesichtspunkte, die offenbar eine zeitlich wechselnde Betonung erfuhren. Die bisherige Literatur dazu ist rar.[1] Die heutigen Elemente im Ritus einer schrittweisen Aufnahme in die Klostergemeinschaft bis zur Profess, der Gedanke des Neuanfangs als neuer Mensch, versinnbildlicht im neuen Namen, der Verweis auf die Reinheit und kindliche Unschuld in Form eines weißen Ordenskleids, das Überreichen einer Kerze analog zur Taufkerze, sind ganz klar der Erinnerung an die Taufe gewidmet.

Dass diese Praxis in der symbolträchtigen Fülle heutiger Einkleidungs- und Professfeiern nicht ganz dem Ritus des 12. und 13. Jahrhunderts entspricht, lässt sich vor allem in einem Werk der Gertrud von Helfta nachverfolgen[2]. In ihren Exercitia spiritualia zeichnet sie jedes rituelle Element sowohl der Taufe als auch der Aufnahme ins Kloster, der Nonnenweihe und der Professfeier ihrer Zeit nach und versucht sie so ihren Mitschwestern in Form einer geistlichen Andachtsübung nahezubringen. Für die obige Fragestellung ist hier der Aufnahmeritus von Interesse. Die Kandidatin erhält beim Eintritt ein geistliches Gewand, die Farbe scheint dabei unerheblich zu sein. Die damit verbundenen Anrufungen der Trinität werden in diesem Kontext je Person mit einem besonderen Zeichen erwähnt, dem Vater wird das Licht zugeordnet, dem Sohn die Reinheit, dem Heiligen Geist das Zeichen eines geistlichen Namens[3]. Darin könnte man vielleicht als symbolische Attribute Kerze, Taufkleid und Ordensnamen entdecken. Es fällt überdies auf, dass auch im Kloster in Helfta im 13. Jahrhundert Nonnenweihe und Profess noch zwei voneinander getrennte Feierlichkeiten waren. Dabei betonte man im Ritus dann die Hochzeit mit dem himmlischen Bräutigam mehr als die Taufsymbolik.

Noch ein anderer Gedanke, der in diesem Zusammenhang aufkommt, wäre ein interessantes Forschungsobjekt: Jede Kirche hatte in der Frühzeit ein Taufbecken und hat bis heute einen Taufbrunnen. Jedes Kloster hatte einen Brunnen im Kreuzgang, der möglicherweise auch in rituelle Zeremonien einbezogen war. Während die Mönche den Brunnen nutzten, um ihre Tonsur nachzuschneiden, ist nichts darüber bekannt, wie die Frauen mit ihrer "Frisur" umgingen. Dass aber die langen Haare im Zusammenhang mit der Profess abgeschnitten wurden, ist eine bekannte Tatsache. Noch niemand hat bisher bei den Frauenklöstern die Lage der Brunnen in ihrer Nähe zur Kirche überprüft. Doch mancherorts sind sie der Kirche viel näher als man erwarten würde. Zufall oder Absicht? War der Verlust der Haarpracht bei den Frauen Teil der Zeremonie einer Aufnahme, der Nonnenweihe oder des Professritus? Wann, wo und in welchem Kontext wurde diese Maßnahme vorgenommen, in welcher Form erneuert? Dass es ein feierlicher Moment gewesen sein muss, ist anzunehmen, da sich doch einige aus diesen Haaren erstellte Kunstwerke erhalten haben. Die Nonnen haben die zu diesem Anlass abgeschnittenen Haare also als etwas ihnen Wertvolles aufbewahrt.


[1] Deutschsprachige Literatur zu diesem Thema ist insgesamt selten: Stephan HILPISCH, Die Entwicklung des Profeßritus der Nonnen, Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 66 (1955) 28-34. Neuester englischsprachiger Beitrag zum Thema: Nancy Bradley WARREN, The Ritual for the Ordination of Nuns, in: Medieval Christianity in practice, hg. von Miri RUBIN (Princeton readings in religions 1, Princeton 2009) 318 - 326.
[2] GERTRUD VON HELFTA, Exercitia spiritualia – Geistliche Übungen. Lateinisch und deutsch, hg. übers. u. komm. von Siegfried RINGLER (Elberfeld 2001).
[3] GERTRUD VON HELFTA, Exercitia spiritualia – Geistliche Übungen. Lateinisch und deutsch, hg. übers. u. komm. von Siegfried RINGLER (Elberfeld 2001) 69.

Dienstag, 7. Januar 2014

Kalenderkunde - (k)ein Thema?


Der Heiligenkult ist Ausdruck privater, aber auch kollektiver Verehrung einer konkreten Persönlichkeit, die sich durch irgendein besonderes Merkmal christlicher Tugend auszeichnete. Er ist durch viele Faktoren beeinflussbar und damit in gewissen Grenzen zeitgebunden. Einen besonderen Stellenwert unter den Heiligen hatten schon immer die frühchristlichen Märtyrer. Zu ihrer hohen Popularität trug unter anderem auch die bis ins Hochmittelalter und darüber hinaus gängige Praxis von Translationen bei, die einem religiösen Zentrum dadurch mehr Bedeutung und durch die Einrichtung von Wallfahrten reiche Einnahmequellen verschaffen konnte. Nicht selten wurden dadurch auch mehrere Gedenk- und Feiertage eines Heiligen im Jahresverlauf üblich. Die Dopplung von Namen trug ein Übriges zur Vielfalt und später auch zur Verwechslung verschiedener  Personen gleichen Namens bei. Da die Bedeutung der jeweiligen Heiligen im Alltagsleben an eine persönliche Verehrung und einen regionalen Kult gebunden sind, durch welchen ihr Wirken memoriert wird, wundert es nicht, dass fast jeder kleinere Heilige neben seinem ehemaligen Wirk- oder Leidensort auch soetwas wie eine zweite "Heimat" hat. Dies alles gibt der Kalenderforschung einige Möglichkeiten der regionalen Einordnung.

Der zisterziensische Festkalender, wie er in den Ecclesiastica Officia erwähnt wird[1], hat trotz der allgemeinen Verbindlichkeit auch Raum für individuelle lokale Gepflogenheiten gelassen. Nicht umsonst haben die Bollandisten eine ganze Reihe zisterziensischer Kalender unterschiedlicher Regionen zusammengetragen. Dies erklärt sich einerseits durch die in der Frühzeit praktizierte Stellung unter bischöfliche Amtsgewalt und die erst schrittweise Exemtion aus dem Diözesanverband, in der späteren Zeit durch die Einrichtung von Kongregationen, durch die das lokale Element gegenüber der zentralistischen Organisationsstruktur wieder aufgewertet wurde.

Sich auf die Spuren von Klosterkalendarien u.a. in Psalterien, Brevieren, Missalen, Sammelhandschriften und Nekrologen zu machen, die hier und da ganz vergessen in irgendeinem Archiv oder irgendeiner Handschrift schlummern, könnte vor allem bei den Frauenklöstern auch einiges über die mögliche Herkunft, eventuelle Filiationszusammenhänge offenlegen und noch Beiträge zu vielen weiteren Fragestellungen liefern. Überdies dürfte interessant sein, ob und in welcher Weise Kompromisse in den nichtexemten Frauenklöstern im Vergleich zu den exemten bezüglich der Festtage notwendig waren. Publikationen solcher Kalendarien sind bisher selten. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auf die Kalendarien aus Königsbruck[2], Medingen[3], Schmerlenbach[4] und Billigheim[5] hingewiesen. Weiteres Material scheint es in Gnadenthal und Sonnefeld zu geben, und auch Wechterswinkel hat einen Kalender, wie Helmut Flachenecker zusammenträgt [6]. Die sorgfältige Recherche und dann vor allem die Zusammenschau solcher publizierter Einzelarbeiten dürften wertvolle Ergebnisse bringen.

[1] Vgl. die Zusammenstellung der dort erwähnten Feste in: Ecclesiastica Officia. Gebräuchebuch der Zisterzienser aus dem 12. Jahrhundert, übers., bearb. und hrsg. von Hermann M. HERZOG und Johannes MÜLLER (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur 7, Langwaden 2003) 499 – 502. 
[2] Alfred PFLEGER, Ein Königsbrucker Kalender des 15. Jahrhunderts, Etudes Haguenauiennes (1948) 61-77. 
[3] Wolfgang IRTENKAUF, Vor 500 Jahren: der Medinger Kalender, Heimatkalender für Stadt und Kreis Uelzen (1998) 135 – 140. 
[4] Franziskus Lothar BÜLL, Quellen und Forschungen zur Geschichte der mittelalterlichen Frauenabtei Schmerlenbach im Spessart, (2 Bde. Würzburg 1970, Bd. 2) 754 – 777.
[5] Karl-Heinz MISTELE, Kalendar und Nekrolog des Klosters Billigheim, CistC 69 (1962) 55-68.
[6] Helmut FLACHENECKER, Memoria und Herrschaftssicherung. Vom fränkischen Adel und von frommen Frauen zwischen Spessart und Thüringer Wald, in: Nonnen, Kanonissen, Mystikerinnen. Religiöse Frauengemeinschaften in Süddeutschland, hgg. von Eva SCHLOTHEUBER / Helmut FLACHENECKER / Ingrid GARDILL (Studien zur Germania Sacra 31, Veröffentlichungen des Max-Planck- Instituts für Geschichte 235, Göttingen 2008) 143-177, hier 174f.