Dienstag, 25. Februar 2014

Landschaftsgestaltung

Dass Zisterzienser in sehr weitreichendem Maße Kulturlandschaften geschaffen haben, durch Anlegen von Teichen, Trockenlegen von Sumpfgebieten, Betreiben von Mühlen in den Wasserhaushalt eingriffen, durch den Aufbau einer Grangienwirtschaft Flurveränderungen vornahmen und sogar die Besiedlung von Landstrichen (Entstehung von Wüstungen, Umsiedlungen) beeinflussten, durch intensive Waldnutzung und Wiederbewaldungsmaßnahmen den Energiekreislauf einer Region an ihren Bedarf adaptierten, ist hinreichend bekannt. Wie intensiv taten es ihnen die Zisterzienserinnen nach? Niemand hat sich bisher für Wüstungen und Flursituationen im Umkreis von Zisterzienserinnenklöstern interessiert, nur wenig Literatur gibt es hinsichtlich wasserwirtschaftlicher Maßnahmen. Verschwundenen Orten beispielsweise einmal unter diesem Aspekt nachzugehen, kann einen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte von Frauenklöstern leisten und irgendwann vielleicht auch einen wirklichen Vergleich zu den Männerklöstern ermöglichen.

Samstag, 22. Februar 2014

Silentium II

Bereits am 14.02. 2014 fand in Poitiers ein Studientag statt, der sich dem Thema widmete, auf welche Weise man sich der Stille, dem Schweigen und seinen Erscheinungsformen im Mittelalter annähern könnte. Auf den Tagungsbericht darf man gespannt sein. Zudem wird es am 22. und 23. Mai 2014 in Avignon ein Doktorandenkolloquium zu diesem Thema geben, für das bis heute (22.02.2014) deadline zur Anmeldung ist. Man darf gespannt sein, welchen Stellenwert die Ordensgeschichte darin einnimmt und welche Ansätze dabei verfolgt werden. Informationen dazu bietet das Wissenschaftsblog Calenda.

Donnerstag, 20. Februar 2014

Von Schreiberin zum Leserkreis - Begabung und gesundheitliche Eignung

In ihrem persönlichen Vorwort, das an Leser und Leserinnen (!) außerhalb des Klosters gerichtet ist, bittet die im 13. Jahrhundert lebende Nonne Hiltgart von Hürnheim mit den folgenden Worten inständig um Glaubwürdigkeit:

Ich pit euch leser und leserinne
Das ir geleubig seit meinem krancken sinne...[1]

Dass eine verfasste Schrift, in diesem Fall eine lateinisch - mittelhochdeutsche Übersetzung, für zuverlässig gehalten wurde, war von hoher Bedeutung für die Rezeption dieses Werkes und damit nicht nur Demutsfloskel, sondern eine realitätsnahe echte Sorge für eine Autorin. Ihr "schwacher Geist", d.h. der bewusste Hinweis auf die Grenzen ihrer Fähigkeiten und Begabung sollten die Möglichkeiten besserer Übersetzungen einräumen und dem eventuellen Kritiker, der Kritikerin, Verständnis abnötigen. Im Falle einer Übersetzung konnte zur Prüfung der Glaubwürdigkeit vom engagierten Leser ja auch noch der Originaltext hinzugezogen werden. 
Doch was ist mit anderen Werken hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit, wenn ein krancker Sinn nicht sicher ausgeschlossen werden kann? Gerade im narrativen Bereich ist es doch aus heutiger Perspektive mitunter ohnehin sehr schwierig einzuschätzen, ob geschilderte Handlungsabläufe der Realität entsprachen oder der Phantasie der Schreiberin, des Schreibers, entsprangen, vor allem dann, wenn Vergleichsmaterial fehlt. Die Kenntnis über die Persönlichkeit einer Verfasserin, eines Verfassers, gehört in der Forschung daher schon lange zum Standard, wie auch die Klärung der Motivation einer Schrift. Dabei kann die Frage von Krankheit oder Gesundheit sicher nur bedingt ausgeklammert werden. Denn es sind, wenn es um das Erfassen von Alltagssituationen früherer Zeiten geht, bezüglich dieser Einflussgröße zumindest all diejenigen Situationen einer besonderen Prüfung zu unterziehen, die Abfolgen von Handlungen und deren Interpretation durch die Autorin, den Autor, betreffen, während Bezeichnungen damals sicher dem allgemein gängigen Gebrauch entsprachen. Zwar gibt es doch reiche medizinhistorische Literatur über Erkrankungen und deren Beschreibung in Werken. Zur Frage der Verwertbarkeit konkreter historischer Inhalte aus der Feder kranker Personen besteht gerade im Hinblick auf das Alltagsgeschehen jedoch sicher noch Forschungsbedarf.

[1] Reinhold MÖLLER (Hg.) Hiltgart von Hürnheim. Mittelhochdeutsche Übersetzung des "Secretum Secretorum", (Deutsche Texte des Mittelalters 56, Berlin 1963) 4.

Montag, 17. Februar 2014

Reichstagssitz und Krönungsassistenz


Zwei interessante Literaturangaben seien hier genannt, die ungewöhnliche Themengebiete für ein Frauenkloster betreffen. Zunächst eine Dissertation der Universität Innsbruck von 1978.[1] Der Autor, Dr. Otto Beck, hat sich der oberschwäbischen Reichsabtei Heggbach angenommen und führt dabei aus, auf welche Weise die Äbtissin ihr Recht der Präsenz bei Reichs- und Kreisversammlungen wahrnahm. Auf einer Kreisversammlung des Konstanzer Viertels des Schwäbischen Kreises nahmen die Äbtissinnen von Heggbach, Gutenzell, Rottenmünster und Baindt teil (S. 277). Dieses Privileg des Sitz- und Stimmrechts für Heggbach wurde wahrscheinlich im späten 15. Jahrhundert gewährt (S. 276) und ist vor allem im 17. und 18. Jahrhundert in den daraus resultierenden Verpflichtungen (z.B. auch militärischen) greifbar. Frauenklöster waren also im weltlichen Bereich auf Reichsebene präsent.
Ein zweiter Literaturhinweis, der jedoch seine Quelle nicht preisgibt, stammt vom Benediktinerpater Blasius Huemer, der in seinem Verzeichnis der Zisterzienserinnenklöster folgendes zum böhmischen Kloster Frauental / Pohled wiedergibt[2]: Die Aebtissin hatte das Recht, mit dem Erzbischof von Prag die Königin zu krönen. Normalerweise handelt es sich bei derartigen Werken um sehr sorgfältige Materialzusammenstellungen, was nicht heißen will, dass es unbedingt auch stimmen muss. Eine moderne Bearbeitung dieser Frauenzisterze ist mir nicht bekannt. Dieses Kloster war für den überwiegenden Teil seiner Existenz wohl ein sehr armes Kloster, sodass ein solches Privileg sehr überrascht. 
Übrigens wurden beide Autoren und Sachverhalte auch in einem neueren Werk über "Herrschaft und Frömmigkeit" erwähnt.[3] Darüber hinaus zitiert diese Autorin dort (S. 43) auch Edith Ennen mit folgendem Satz: Seit dem Wormser Konkordat 1122 galten die Reichsbischöfe, Reichsäbte und Reichsäbtissinnen als Lehnsträger des Reiches, sie waren ohne Rücksicht auf ihren geistlichen Stand und ihr Geschlecht lehnsfähig.[4]



[1] Otto BECK, Die Reichsabtei Heggbach. Kloster – Konvent – Ordensleben. Ein Beitrag zur Geschichte der Zisterzienserinnen. (Dissertation der Theologischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck 1978, Sigmaringen 1980) 274 – 277.
[2] Blasius HUEMER, Verzeichnis der deutschen Cisterzienserinnenklöster. Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Beneditkinerordens und seiner Zweige (1916) Heft I/II, 13.
[3] Friedericke WARNATSCH-GLEICH, Herrschaft und Frömmigkeit. Zisterzienserinnen im Hochmittelalter, (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterezienser 21, Berlin 2005) 14, 43.
[4] Edith ENNEN, Frauen im Mittelalter, (München 1984)133, zitiert nach Warnatsch-Gleich.

Sonntag, 16. Februar 2014

Silentium

Klöster sind heute ein beliebter Ort, Tagungen abzuhalten, besonders natürlich über die klösterliche Geschichte. Das Ambiente ist gerade dort dazu geeignet, in eine Welt etwas einzutauchen, die vielleicht noch einen Hauch dessen vermittelt, was damals gewesen sein könnte, aber auch mit dem in Kontakt zu kommen, was solch ein Ort ist. Naturgemäß ist eine Tagung ein Ort des regen Austauschs, ein Ort des gesprochenen Wortes. Klöster hingegen sind ihrer Intention nach zwar Orte der Begegnung, doch steht dort an erster Stelle vor der Begegnung der Menschen untereinander die Begegnung mit Gott, die im Schweigen geschieht. Das rechte Maß zwischen Reden und Schweigen zu finden war zu allen Zeiten eine Herausforderung. Schweigen und Stille sind absolut nicht bedeutungslos in ihrer Wirkung auf die Befindlichkeit des einzelnen Menschen. So ist das institutionell geregelte Schweigen einer Ordensgemeinschaft und die Art, wie dort schweigende Kommunikation geschieht, sicher auch nicht bedeutungslos für den Zustand der Gemeinschaft. Grund genug, einmal konkret darüber nachzudenken, wie sich Schweigen einer Gemeinschaft mitteilte, wie es wahrgenommen wurde und wie die besonders dem Schweigen vorbehaltenen Orte "genutzt", geachtet oder besser noch gewürdigt wurden. Ist Schweigen eine irgendwie messbare Größe? Vielleicht kann man sich diesem Phänomen annähern, wenn man sich mit denjenigen Informationen und der Art ihrer Mitteilung behilft, die einen Verstoß gegen das Schweigegebot anzeigen oder sich fragen, welche Rolle das Schweigen und die besonderen Orte des Schweigens in der Wertschätzung der Mönche und Nonnen von Konventen einnahm, die in der frühen Neuzeit von außen als dekadent bezeichnet wurden. Wie verhält sich die Wahrung des Schweigens zum inneren Frieden einer Gemeinschaft (auch Schweigen kann ja Konflikte auslösen)? Wie stehen Fortbestand und Auflösung damit in Verbindung? Nicht uninteressant ist es, einmal die Umnutzung von Orten sich anzusehen, wenn beispielsweise ein Ort des Redens, das Parlatorium, in einen Ort des Schweigens, z.B. eine Totenkapelle, umgestaltet wurde (z.B. Stift Heiligenkreuz / Österreich). Wie veränderten sich im Rahmen der immer wieder notwendigen Anpassung des monastischen Alltags an zeitbedingte Erfordernisse die Räume und die Art des Umgangs mit dem Reden und Schweigen?