Montag, 26. Februar 2024

Diverse Entwicklungsstränge bei der Entstehung von OCist-Frauenklöstern aus Altersgründen?

Beeindruckt hat mich schon immer die Aussage des Hermann von Tournai über das Zisterzienserinnenkloster Montreuil im damaligen Bistum Laon, über Wurzeln rodende Frauen mit hohem geistlichen Anspruch und charismatischem Erfolg. Doch dann ist da als Gegenbild das krisengeschüttelte Jully, mit den Damen, die aus Molesme auszogen und sich ihrer Dienerschaft entledigen mussten, bei denen es hernach so kriselte, dass ein Teil nach Tart ging und sich ein anderer mit der Priorin nach Larrey absetzte, um ein eigenes Priorat zu sein, sodann das Engagement von vier Zisterzienseräbten um 1128, die mit dem zuständigen Benediktinerabt eine neue Regel für den Restkonvent von Jully ausarbeiteten, bevor es endlich unter Aufgabe der Handarbeit und Klausurverschärfung Ruhe gab. Die große Frage: warum?

Waren die einen eine verschworene homogene Gemeinschaft, in der alle am gleichen Strang in die gleiche Richtung zogen und die anderen vielleicht nicht? Möglich. Die Abspaltung von so differenten Lebensmodellen wie Tart, das die Richtung des nach ihm erst gegründeten Montreuil vertritt und Larrey, das im Grunde ein Benediktinerinnenkloster nach herkömmlicher Ordnung war, zeigt eine große Diversität des Wollens verschiedener Kräfte im gleichen Konvent. Und dann sind da ja noch diejenigen, die am Ort blieben, für die eine neue Regel ausgearbeitet wurde, die sich hart von Tart absetzte, sich aber auch nicht voll in die Richtung von Larrey bewegte, sondern zisterziensische Elemente durchaus beibehielt und sich nur von der Handarbeit deutlich distanzierte.

Wollte man mit Hermann von Tournai sagen: "Alles kann, wer glaubt." so folgte daraus, wieso denn die Nonnen von Jully dann so kleinmütig und kleingläubig gewesen waren. Doch so einfach ist es wohl nicht.

Gewöhnlich hat man jüngere Konvente zu einer Neugründung ausgesandt, die dann auch bald jungen und dynamischen Zulauf hatten. Zwar hatte Jully in den ersten zwei Dekaden des 12. Jahrhunderts enormen Zulauf, die Ausgliederung des rasch gewachsenen Konvents aus dem Doppelkloster Molesme, schob aber auch die älteren Damen von dort ins neue Ordenshaus ab. Die Umstellung für sie muss enorm gewesen sein. Zwischen den Begeisterten für den neuen Orden der Zisterzienser und ihrer Gebräuche, jenen, die es den Männern gleichtun wollten und denen, die sich erst einmal in der neuen Situation ohne Bedienstete und infolgedessen Handarbeit zurecht finden mussten, wird nicht nur eine verschiedene Sicht von monastischem Leben beinhaltet haben, sondern wohl auch eine Altersdifferenz. So könnte ein Generationskonflikt die ersten Abspaltungen bewirkt haben.

Für junge Leute ist das Austesten körperlicher Grenzen etwas, mit dem sie sich auch selbst etwas beweisen wollen. Sie waren die Heldinnen von Tart und Montreuil. Dass mit Larrey erstmals ein Kreis gesetzterer und wenig extrem gesinnter Damen sich abspaltete, steht zu vermuten. Die Zurückbleibenden werden die Unentschlossenen gewesen sein, die einerseits das Neue des zisterziensischen Weges nicht verraten wollten, deren körperliches Kräftepotential wohl auch noch ausreichte, die  andererseits aber eine gemäßigtere Ausrichtung für Frauen ohne die Preisgabe zisterziensischer Werte erwogen. Für sie, die offenbar zahlenmäßig keine kleine Gruppe waren, wurde die Neuregelung der Äbte zu einer verbindlichen Lösung. Denn wer will schon als Frau mit über fünfzig tagtäglich mit einer Axt im Felde stehen und Wurzeln roden? 

Die Problematik dürfte auch die relative Plötzlichkeit der Umstellung für den inhomogenen Konvent von Jully gewesen sein. Die Gründergruppe von Tart wird mit den Jahren zwar auch älter und schwächer geworden sein. Doch wenn ein gleichgesinnter Stamm von Personen seine Kräfte schwinden sieht, tritt ein gemeinsames Überlegen und Umorganisieren in Kraft, das ressourcenschonend ist, ohne geschätzte Werte über Bord zu werfen. Diese Entwicklungsmöglichkeit war Jully nicht in gleichem Maße gegeben.