Donnerstag, 3. Mai 2018

Frauenpower oder Weiberwirtschaft?

Eigentlich setzte eine solche Überschrift zunächst vielleicht eine Begriffsdefinition voraus, bevor man dazu etwas sagt, denn beides sind tendenziöse Bezeichnungen. Ganz schlicht sei hier von einem konträren Bedeutungsinhalt ausgegangen, der wertend eine Frauengemeinschaft in Bezug auf die interne Organisation beschreibt, wobei ich als das regierende Element eben die Gesamtheit der Einzelpersonen ansehen möchte.

Jenseits des Faktums, dass es vielerorts und in vielen Bereichen Teams gibt, die nur aus Frauen bestehen, kann es von Interesse sein, wie sich die Art von Teamgeist auf das anvisierte Ziel einer zusammengehörigen klösterlichen Gemeinschaft auswirkt. Und ich frage mich da speziell, ob gesellschaftliche Einflüsse oder der je eigene Zeitgeist kirchlicher Politik irgendwie auch eine beeinflussende Rolle gespielt haben.

Ich habe in meiner Kindheit immer mal wieder Gelegenheit gehabt, Ordensfrauen unterschiedlichster Gemeinschaften bei der Arbeit zuzusehen und ihr Miteinander wahrzunehmen. Fast immer gab es da irgendwo so eine 'Sr. Rabiata' (oder mehrere oder alle miteinander im Miteinander), eine, der man nicht gerne im Dunkeln über den Weg laufen wollte, die Haare auf den Zähnen hatte, vielleicht einen Waffenschein für die Zunge brauchte und den jeweiligen 'Hühnerhof' ihrer Zuständigkeit fest im Griff hatte. Sie wissen schon, so Personen, bei denen man ob ihrer Erscheinung einen leichten Würgreiz verspürt, weil man selbst ja zumeist idealisierend denkt und bei Ordensleuten etwas Anderes erwartet. Sowohl die Kompetenz als auch die Intelligenz dieser Schwestern war nach außen auf 'fishing for compliments' ausgerichtet und nach innen knallhart darauf, dass man selbst die meiste Butter auf dem Brot hatte, eventuell, um das Bild abzurunden, noch mit einer Körperhaltung, die Demut karrikierte. Und das Ganze auch noch so offensichtlich, dass man als Beobachter auch gar keine Mühe hatte, das zu checken. Solch eine Art von Regimentsführung, die oft durch alle Instanzen einer Gemeinschaft ging, bei der noch die erste Verantwortliche für die Raumpflege sich mehr dünkte als die zur Hilfe beigestellte Schwester, möchte ich in meiner Wahrnehmung mit dem Begriff "Weiberwirtschaft" bezeichnen. Wer ganz jung in solch ein System hineinkommt, ist zunächst wirkliches Opfer und kann wohl nur nach oben streben (damit sind weder Gott noch der Himmel gemeint), um dieses Leben langfristig für sich als Weg anzusehen. Aber ist das wirklich ein Weg oder nicht vielmehr ein Grund, warum so viele Gemeinschaften in unserer Zeit nicht mehr gebraucht werden? Ziel ist dort unbewusst wohl nicht primär Gott, sondern ein religiös verbrämter Leitungsdienst irgendeiner Couleur. Jeder suchte in einer solchen Gemeinschaft, wie er am besten sein Schäfchen ins Trockene brachte...
So genau stelle ich mir die klösterliche Hierarchie vor dem Konzil vor, die auch nach dem Konzil noch Wirkung hatte und vielleicht heute über den Nachwuchsmangel und die kritische Sicht von Ordensleben in der Gesellschaft langsam am Aussterben ist. Denn Karriere macht man besser draußen. Natürlich gab es immer auch löbliche Ausnahmen, und es gab immer auch die anderen, die irgendwie charismatischen Gestalten, deren Worte Inhalt hatten, mit den Taten korrespondierten und die deshalb faszinierten. Ein streng hierarchisch geordnetes, in allen Ebenen diktatorisch geführtes Zusammenleben produziert im Extremfall langfristig eine Gemeinschaft von zusammen wohnenden Einsiedlern, was besonders im Altern und bei schrumpfenden Mitgliederzahlen zutage tritt, da dann mitunter diejenigen 'Schäfchen' zunehmend fehlen, die die Arbeit immer klaglos taten.

Frauenpower sieht anders aus. Es gibt sie, die interessanten anderen Gemeinschaften, jung und weniger jung, aber in jedem Fall voller Kraft und Vitalität - hm ganz ohne Eigenlob kommt man nicht aus - der Leser ist frei, sich sein eigenes Bild zu machen! Nach meiner Beobachtung erschöpft sich in solchen Gemeinschaften die Energie nicht darin, etwas zu sagen zu haben und andere arbeiten zu lassen, sondern ist auf ein wirklich gemeinsames Leben ausgerichtet, mit aller Rücksichtnahme und Toleranz auf die, die je nach geschenktem Talent nicht immer so mithalten können. Hier ist die Rollendefinition eine Andere. Hier geht es nicht um perfekt nach außen und knallhart nach innen. Dadurch aber wird der menschliche Zug auch in Fehlern und Versehen umso deutlicher. Miteinander an einer Sache anpacken, um mitzugestalten, der Kreativität Raum zu geben und für alle etwas Nützliches am je eigenen Platz  beizutragen - das hat etwas Erfüllendes. Und nicht nur für einen selbst, sondern spürbar für den Nächsten. Das strahlt authentische Gelassenheit und Ruhe aus. Dabei sind nach innen die Erfahrung der Wertschätzung der eigenen Arbeit als Beitrag zum Ganzen und die Achtung vor dem Tun der Mitschwester ganz wichtige Punkte. Man braucht ja Sinn und Ziel im Leben. Man braucht Anerkennung und Wohlwollen, um sich in positiver Weise zu erfahren - auch im Kloster. Diese Erfahrung gilt es teilend weiterzugeben. Und sie ist täglich neu zu erarbeiten. Niemand hat sie in jeder Situation und für immer. Die Gefahr des Hühnerhofsyndroms ist immer gegeben.