Mittwoch, 4. November 2020

1294 - Helfta "in höchster Furcht vor dem König"

Das Kapitel elf des vierten Buches des Liber specialis gratiae spielt auf den ersten Thüringenfeldzug des Königs Adolf von Nassau 1294 an, der nicht weit entfernt von unserem Kloster stand. Die einleitenden Worte, es habe höchste Furcht geherrscht, und sie wären nicht weit entfernt gewesen, lassen keinen anderen Schluss zu, als dass es jederzeit möglich war, dass die königlichen Truppen einfallen konnten. So nahm die ältere Geschichtsschreibung - natürlich ohne diesen Text als Quelle einzubeziehen - an, dass nicht der alte thüringische Gerichtsort Mittelhausen bei Erfurt der Lagerplatz des Heeres war, sondern Mittelhausen bei Farnstädt. Von dort waren es bloß 13,9 km Fußweg bis Helfta. In etwas mehr als zwei Stunden zu Fuß zu schaffen, während das andere Mittelhausen, das in jüngerer Zeit postuliert wurde, 76 km weit weg ist, was den Superlativ der höchste(n) Furcht nicht erklärte.

Wie aber, wenn dem Gesagten, das ja bei den Zeitgenossen nur Wirkung entfaltet hätte, wenn es Wahres, ja Nachvollziehbares, in den Kontext der überirdischen Wirklichkeit stellte, also ein wirkliches Wunder berichtete, tatsächlich Quellenwert zugeschrieben werden würde? 

Das strategische Konzept Adolfs wäre dann natürlich zu überdenken, wenn das Mittelhausen ein anderes gewesen wäre. Vom Mittelhausen bei Farnstädt konnte er sowohl rasch ins Osterland als auch nach Thüringen ziehen. Dann wäre der Lagerplatz wohl weniger eine symbolische Siegerpose gewesen, als vielmehr ein günstiger Ausgangspunkt, der viele Wege offen ließ. Doch ein Ort ist in Mechtilds Buch nicht genannt.

In dem kurzen Text über den König heißt es, Helfta sei verschont geblieben, obwohl viele andere Klöster von schwersten Schäden betroffen wurden. Zu fragen wäre deshalb, wie es den Klöstern rings um Mittelhausen in Sachsen-Anhalt erging, ob es Hinweise baulicher, urkundlicher, archivalischer Art gibt, die in der Zusammenschau der Befunde auf solche Gewaltakte in der Region hindeuten. Diese Klöster wären Klosternaundorf, Holzzelle und Sittichenbach, vielleicht auch St. Cyriakus in Wimmelburg. Wenn es dorthin Übergriffe gegeben hätte, dann wäre es in der Tat berechtigt gewesen, sich als nächstes Opfer zu vermuten und Tage höchster Angst zu verleben.