Sonntag, 15. Dezember 2013

Jak 5, 10: Im Leiden und in der Geduld nehmt Euch die Propheten zum Vorbild

Wenn es um die jeweilig erste Generation einer neuen religiösen Bewegung geht, so darf man einen Elan und Eifer unterstellen, der zum Staunen bringt. Die Faszination eines Neuanfangs setzte schon immer ungeheure Kräfte frei, um all die schwierigen Bedingungen und Anstrengungen in Kauf zu nehmen, die es bis zum Erreichen des gewünschten Zieles zu durchleben galt. Vor allem war es eine von positiver Lebensenergie getragene Ausstrahlung und Zuversicht, die ansteckend und mitreißend wirkte. Nur so kann man sich den wachsenden Einfluss und die Etablierung trotz widriger Umstände erklären. 
Der mittelalterliche Mensch des 12. Jahrhunderts war von seinem Glauben an die Wiederkunft Christi besonders geprägt und suchte als Ordenschrist daher besonders dem täglichen Advent Ausdruck zu verleihen. In der zisterziensischen Klosterwelt haben später besonders die adventlichen Gedanken Bernhards von Clairvaux die Ordensleute erreicht. Die gedankliche wie praktisch vollzogene und auch rituelle Wegbereitung für diese Wiederkunft Christi war alles Andere als süßlich und dabei doch keineswegs schal und trocken in ihrer Ausdrucksweise.
Die freiwillige Armut, die den frühen Zisterzienserinnen als bewusstes Lebenselement testiert wird, hatte mancherorts anfangs durchaus einen über diese Freiwilligkeit hinausgehenden Aspekt einer existenziellen Notlage. Und nicht immer standen sofort reiche Stifter und Wohltäter an ihrer Seite. In solchen Zeiten des wirklich rückhaltlos geforderten Gottvertrauens konnte aber auch am intensivsten Gottes Hilfe und die barmherzige mitmenschliche Zuwendung voller Dank erfahren werden. So hat, in der Phase eigener Aufbauarbeit, ein anderer berühmter Zisterzienser einen beispielhaften praktischen Akzent des Mitleidens gesetzt, der von dem dankbaren Frauenkloster durch die Jahrhunderte überliefert wurde. Er hat sich im Journal des Saints erhalten, das J. Ressayre 1706 für die Nonnen von Tart drucken ließ. Dort wird unter dem Gedenktag Stephan Hardings am 17. April (S. 193) vermerkt, dass dieser einen Teil der seinem Kloster zugewandten Almosen dazu verwandte, dieses Frauenkloster zu unterstützen: [...] il faisoit part à ce Monastere des aumônes qu’il recevoit des fideles [...]. Leiden, Mitleiden und Geduld zeichnen eine ganz andere Wirklichkeit adventlicher Existenz. Und konsequenterweise war es die recht umfangreiche Moralia in Job des hl. Gregors des Großen, die neben der Hl. Schrift als erstes Werk bei den Zisterziensern abgeschrieben wurde. Kann die so gespeiste Lebensphilosophie  auch heute noch lebendiges Tun sein, d.h. begeisternd, ja mitreißend? Die Memorialüberlieferungen klösterlicher Einrichtungen sind durch die Jahrhunderte angefüllt mit Beispielen erwiesener Wohltaten und der Hilfe im Überstehen von die Geduld herausfordernden Durststrecken. Sollte die berichtende und jährlich rituell repetierte Überlieferung solcher Fakten am Ende stärker sein als die Tradierung des solche Handlungen und Gaben einst motivierenden Gründungscharismas?