Donnerstag, 9. Januar 2020

Konziliengeschichte im Hymnus

In den letzten Wochen habe ich mich intensiver mit dem Hymnus Conditor alme siderum befasst und war dabei ganz fasziniert von Inhalt und Form. Dabei stellte ich fest, dass dieses Werk, das ursprünglich wohl ein reiner Vierzeiler mit Bekenntnischarakter gewesen ist, also eher eine Akklamation als ein wirklicher Hymnus, im Laufe der Zeit, d.h. zwischen dem vierten und dem sechsten Jahrhundert, immer länger wurde, bis er im siebten Jahrhundert schließlich in der Form, die wir heute kennen, als Adventshymnus in Hymnarien erscheint (vgl. Gneuss).

Auffällig ist darin die wiedergespiegelte Konzilsgeschichte: Konstantinopel 381, Ephesus 431, Chalcedon 451. Schon allein der Text der ersten Strophe kann gegen einige Häresien bestehen. Und irgendwie paraphrasiert er ein bisschen den Christus-Hymnus im Kolosserbrief. Damit hat er auch einen anti-gnostischen Zug.

Mit dem erhabenen Schöpfer ist Christus in der kosmischen Dimension des Kolosserbriefes angesprochen. Sodann folgt mit der Bezeichnung ewiges Licht eine Absage an die Arianer, für die dieser Christus nicht ewig sein konnte und auch gegen die Manichäer, für die zwar Christus in einem Zusammenhang zum Licht stand, jedoch nicht als dessen Urheber. Schließlich scheint eventuell noch ein Hieb gegen die Donatisten ausgeteilt, wenn Christus als Erlöser von allem ja auch die in Verfolgungszeiten passager abgefallenen Getauften erlöst. Allein in dieser Strophe passt sich die Melodie dem Text an, während es in den nachfolgenden Strophen keine eindeutige Text-Melodie-Beziehung mehr gibt.

In Strophe zwei geht es um die Zwei-Naturen-Lehre. Und je nachdem, ob man am Ende der ersten Verszeile einen Ablativ (interitu) oder einen zum Reim besser passenden Akkusativ (interitum) gelten lassen möchte, wird man sich theologisch auf eine andere Seite schlagen. Die monophysitische Version hat sich über die Zeit offenbar verflüchtigt.

In der dritten Strophe geht es nun irgendwie von vorne los, denn nachdem Christus schon durch seinen Tod der Menschheit ein Heilmittel gegeben hat, kommt er nun erst zur Welt. Hier sind wir inhaltlich beim Konzil von Ephesus, das Maria als Gottesgebärerin benannte. Aber diese Aussage betont somit auch Christus als Gott, was für die Zusammengehörigkeit der Strophen 3 bis 5 von hoher Bedeutung ist. Denn in Strophe vier wird mit dem Text des Philipperbriefes Christus als der Starke benannt, der mit der Umschreibung als wiederkommender Richter in Strophe fünf zugleich auch der Unsterbliche ist. Schon der Zwettler Zisterzienserpater Alexander Lipp hatte in seinem Hymnenkommentar von 1890 diesen Anklang an das Trishagion des Karfreitags bemerkt, welches als Formel oder Gesang in Chalcedon zuerst erwähnt ist. In diesen Hymnus ist mit agie auch ein griechisches Wort hineingelangt. Die älteste Tradition des Singens des Trishagion im Abendland soll Benevent haben...

Nach meiner Ansicht gibt es unter der Voraussetzung einer strophenweisen Verlängerung über einen längeren Zeitabschnitt und angesichts der in der ersten Strophe vorhandenen Anklänge an Häresien des vierten Jahrhunderts dann doch wieder Gründe, dem Ambrosius von Mailand die erste Strophe nebst Melodie in die Schuhe zu schieben. Im Rahmen einer heftigen antiarianischen Auseinandersetzung mit dem Kaiserhaus um die Basilica Portiana 385/386 gäbe es - wohlgemerkt kurz nach dem ersten Konzil von Konstantinopel - durchaus einen Anlass, von dem Augustinus in seinen Bekenntnissen (Conf. 9,7,15) schreibt, dass diese Auseinandersetzung der Anlass gewesen sei, Gesänge nach dem Brauch der Ostkirche in die Liturgie einzuführen. Die erste Strophe ist als in sich geschlossene inständige Bitte im vierten Kirchenton verfasst. Vielleicht war es ja auch in einer vital bedrohlichen Situation einst eine so inständige Bitte...

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BERLINER REPERTORIUM, Conditor alme siderum: URI:
https://repertorium.sprachen.hu-berlin.de/repertorium/browse/hymn/7165?
skip=0&_bc=S1.7165, abgerufen am 29.12.2019

GNEUSS, Helmut, Zur Geschichte des Hymnars, in: Andreas HAUG – Christoph MÄRZ
– Lorenz WELKER (Hgg.) Der lateinische Hymnus im Mittelalter. Überlieferung –
Ästhetik – Ausstrahlung, (Bärenreiter-Verlag, Kassel / Basel [u.a.]), 2004, S. 63 – 86.

LIPP, Alexander, Die Hymnen des Cistercienser – Brevieres, Heinrich-Kirsch-Verlag,
Wien, 1890.

PLANK, Peter, Trishagion, LTHK 10, (Herder – Verlag, Freiburg -
Basel – Rom – Wien), 2001, Spp. 262-263.

WILLIAMS, Rowan D., Arius, Arianismus, LTHK 1, (Herder – Verlag, Freiburg -
Basel – Rom – Wien), 1993, Spp. 981-989.