Freitag, 20. März 2020

Adam von Sankt Viktors gesungene Predigt

Bei der Lektüre des Liber specialis gratiae finde ich es manchmal recht spannend, Texte auszugraben, die heute nicht mehr so vertraut sind. Da die Zisterzienser das Marienlob seit der Anfangszeit pflegen, mag es nicht verwundern, dass die Mariensequenzen, die bis auf eine Ausnahme mit der Liturgiereform des Konzils von Trient untergegangen sind, dort mit dem einen oder anderen Zitat erwähnt sind und somit zum Aufhänger einer Reflexion werden, der nicht so schnell zu folgen ist, wenn man den Text nicht präsent hat. Eine solche Sequenz stammt von Adam von St. Viktor, der seine Predigten gerne vertonte. Mechtild spielt in ihrer Reflexion (Liber I, Cap. XXXVII) auf Maria als Tempel an. Hier der deutsche Text des Ave Maria...virgo serena:

Gruß Dir , Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mir Dir, fröhliche Jungfrau!

Unter den Frauen bist Du benedeit,
die den Menschen den Frieden geboren
und der Engel Ehre ist.

Gesegnet sei Deines Leibes Frucht,
die uns durch Gnade zu Miterben macht,
damit wir Sein (Eigen) würden.

Nämlich durch dieses Ave,
das der Welt so süß,
hast Du gegen das Recht des Fleisches
ein Kind geboren:
durch den neu geborenen Stern
den neuen Glanz.

Du warst des Erlösers Christi Tempel,
des Geringen und Großen,
des Löwen und des Lammes,
doch unberührte Jungfrau.

Du, der Blüte und des Tautropfens, 
des Schafes und Hirten der Jungfrauen  
Königin:
als Rose ohne Dornen
wurdest Du zur Gottesmutter gemacht.

Du Stadt des Reiches der Gerechtigkeit
bist Mutter der Barmherzigkeit,
indem Du vom Teich des Auswurfs und der Not
den Gott liebenden durch die Gnade verwandelst.

Dich rühmt der himmlische Hof,
Dich verehren wir mit unserer Hingabe,
durch Dich wird dem Schuldigen Gnade zuteil,
durch Dich bringen die Gerechten den Dank.

Deshalb, Stern des Meeres,
Keimzelle des Wortes Gottes
und des Einzigen Morgenröte;
Pforte des Paradieses,
von der das Licht ausgegangen ist,
bitte Deinen Sohn:

Dass er uns von Sünden löse
und ins Reich der Liebe
wo das Licht sorgsam leuchte,
für alle Zeiten einquartiere.
Amen.