Samstag, 21. März 2020

Hieronymus Bosch, Dante Alighieri und Mechtild von Hakeborn

Vielleicht ist das eine seltsame Zusammenstellung - ich finde sie spannend. Ein Bezug zwischen Dante und Mechtild wird ja schon lange diskutiert. Dabei geht es darum, dass jene Matelda, die dem Autor Blumen pflückend am Rand des Gotteswaldes begegnet, Mechtild sei. Was aber könnte Hieronymus Bosch damit zutun haben?
Die Beziehung zwischen Mechtild von Hakeborn und Hieronymus Bosch erfolgt über ein Sprichwort, das bei beiden vorkommt: Der Wald hat Ohren, das Feld hat Augen. Bei Mechtild wird das Sprichwort allegorisch gedeutet. Hieronymus Bosch malt es in einer Federzeichnung. - Auch das kann mal vorkommen. Mir scheint jedoch, das Bild des Hieronymus hat einen inhaltlichen Bezug zur Vision der Mechtild von Hakeborn im Liber 2, Kapitel 22 des Liber specialis gratiae. Ich habe diesen in einem Artikel dargelegt, der in Heft 1/2020 der CistercienserChronik erscheint. [An dieser Stelle ist wirklich zu bedauern, dass das entsprechende Kapitel in der neuen englischen Ausgabe der Werke Mechtilds fehlt.]
Der Wald des Hieronymus hat zwei Ohren. In dem einen ist mitten in einem Wäldchen eine Frauengestalt mit Schleier skizziert. Das andere Ohr hat die Umrisse eines Männerkopfes. Wenn, wie es scheint, die Frauengestalt Mechtild ist, wer ist dann der Männerkopf am Rand des Wäldchens? Bosch selbst (zumal er die Federzeichnung gegen Ende seines Lebens anfertigte)? Es wäre eine Interpretationsmöglichkeit. Aufgrund des gemalten Wäldchens, der Augen als Blumen und dem Kontext der das Sprichwort behandelnden Vision bei Mechtild, könnte es auch Dantes Kopf sein, am Rand des Gotteswaldes. Hier der Link zum Bild, das sich heute im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befindet, in dessen Blog ich es fand.
Vielleicht finden sich in Literatur und Kunst des 14. bis 16. Jahrhunderts ja noch weitere Bezüge einer literarischen und künstlerischen Verarbeitung von Mechtilds Visionen. Ich sage es noch einmal: Für mich ist das sehr spannend und vertiefungswürdig.