Freitag, 16. August 2019

Klöster und der lange Weg von einer Theorie zur Praxis

Das Jahr 1993 ist ja schon eine ganze Weile her. Damals war ich Studentin, sang in einer Choralschola und nahm gerade mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an einem Choralkurs in einem süddeutschen Benediktinerkloster teil. Es war ein Zusammentreffen der Scholamitglieder und Kantoren vieler Orte, an denen Gregorianik praktiziert wurde, also von Laien ebenso wie von Ordensleuten unterschiedlicher benediktinischer und zisterziensischer Frauen und Männerklöster.  Man lernte sich kennen, fragte viele Dinge, besuchte sich dann auch mal und tauschte sich in jedem Fall über viele interessante Themen rund um das Klosterleben aus und hatte dort natürlich auch die sonst seltenere Möglichkeit des Vergleichs von Vertretern von Ordensgemeinschaften untereinander. Es war schön, informativ, und von dort brachten wir auch jedesmal - der Kurs ging über drei Jahre - interessante Impulse für unsere Choralarbeit mit. Die Verbindungen hielten über Jahre, man sah sich, lernte neue Leute im Umkreis der Klöster kennen und immer auch neue Ideen. 

Eine dieser Ideen, die an der Schnittstelle von christlichem Studentenleben (KSG und ESG) in Kontakt mit Klöstern gegen Ende meines Studiums (1998) diskutiert wurde, war das Thema "Freiwilliges spirituelles Jahr". Denn es gab damals schon einige StudentInnen vor allem aus den Freikirchen, die ein "Jahr für Gott", entstanden in den 50er Jahren, abgeleistet hatten. In jener Zeit kam auch das "Freiwillige ökologische Jahr" auf. Katholischerseits gab es damals schon "Kloster auf Zeit", nach meiner Erinnerung waren das als begleitete Wochen meist ein bis zwei Wochen. Wenn man schonmal öfter da war, gingen auch etwas längere Zeiträume. Alles andere war individuelles Geschehen. Das hatte den Effekt, dass es heute viele Menschen gibt, die im Kontakt zu den Klöstern das monastische Stundengebet pflegen und führte zu einer Belebung des Oblateninstituts um die Klöster herum. Ab und zu gab und gibt es dann auch echte Eintritte aus solch einem Kreis. Die meisten aber blieben und bleiben in ihrem angestammten Berufsleben. - Nun gibt es seit 2016 in Österreich und ab diesem Jahr auch in Deutschland das "Freiwillige Ordensjahr".

Mir imponiert inzwischen ein anderer Gedanke sehr, der mehr unverbindliche Gestaltungsmöglichkeiten lässt und neben Einblicken auch Wissen vermittelt - die Schule der Gertrud von Hakeborn neu aufzubauen. Es ist nämlich nicht damit getan, hinter die Kulissen zu schauen, man bedarf auch einer Anleitung, "was da auf der spirituellen Innenseite als Motivation abgeht".  So etwa stelle ich mir das vor: Nicht im Konvent der Professschwestern, sondern separat davon, aber mit einer zwingenden Konnexstelle zum Klosterkonvent, sei es durch gemeinsame Horen, eine angeleitete Arbeit oder richtigen Unterricht mit viel Fragemöglichkeit, eine Schule, die nicht das vermittelt, was man in der Schule lernt, sondern die das monastische Leben in vielerlei Hinsicht als praktische Lernmöglichkeit abbildet, das bietet, was eigentlich seit jeher internes monastisches Ausbildungsprogramm wäre (z.B. Ablauf des Stundengebets, RB, Choralunterricht, Liturgie, Texte monastischer Autoren, Ordensgeschichte, Ordensheilige) gepaart mit dem labora-Teil und der Teilnahme an den Gebetszeiten.

Zu uns kommen einige Schulklassen, die Klosterleben kennenlernen wollen, weil das Mittelalter als Unterrichtsthema in der siebten Klasse auf dem Lehrplan steht. Was anlassbezogen läuft, könnte man durchaus auch für einen größeren Interessentenkreis und dauerhaft anbieten kann, wo man beispielsweise einmal in einer größeren Gruppe begleitet eine Mahlzeit mit Tischlesung im Schweigen erproben kann. Was Schüler mit Begeisterung machen, könnten auch Erwachsene interessant finden.
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich beispielsweise - neben anderen - eine Gruppe begleitet, deren Themen 'Klosterküche', 'Mittelalterlicher Fundamentbau mit theologischem Bezug', 'Pilgernde Frauen im Mittelalter' waren. Bei einer anderen Gruppe ging es um die monastische Kleidung und deren Bedeutung, um die elementar notwendige Bildung für einen mittelalterlichen Chormönch, eine Chornonne, um Klosterkrimis und die dahinterstehenden Problematiken, um Urkunden, um Siegel, um Klosteranlagen und ihre biblische Sinngebung). Dabei war der Schwerpunkt das klösterliche Miteinander anhand der Thematik, sowohl in der Gruppenarbeit, als auch bei den Mahlzeiten. Eine solche Annäherung finde ich gut, weil hier eine adaptierte und vielseitige Annäherung erfolgt. Zudem fände ich es auch nicht schlecht, eine solche Schulform unter einem Langzeitforschungsaspekt zu etablieren mit universitärer Anbindung. Im Mittelalter hat man in Klöstern gelernt und damit auch die Klöster als Teil der Welt kennengelernt. Das hat beiden Seiten was gegeben. Und die Kinder solcher Klosterschüler sind wieder in diese Schulen gegangen, die betagte Generation zog sich am Lebensabend in die Klöster zurück. Ein solches Eingebundensein hätte in der Tat ein großes Potential auch der sozialen Wertevermittlung - damit ist ganz und gar nicht Mission gemeint, sondern wirklich eine Wertevermittlung. Die heute oft gestellte Frage lautet doch, was Klöster der Gesellschaft praktisch-konkret zu geben haben - z.B. sowas. Es könnte zum gegenseitigen Vorteil sein!