Samstag, 3. Dezember 2016

Nonverbales: Macht hoch die Tür...vor mir?

Der heilige Benedikt sagt, man solle so vor dem Herrn stehen, dass Herz und Stimme im Einklang (RB 19,7) seien. Das schreibt er zwar vom Verhalten am Chorplatz - es gilt Authentizität aber überall als edles Markenzeichen. Wir alle sind Menschen, die - in Zusammenhänge verstrickt - dann aber doch eigene Ziele setzen und Nebenmotive entwickeln. Ist ein Dienst wirklich Dienst oder eine Spielwiese für verschiedenste andere Handlungsoptionen? Alles bietet eine Möglichkeit für Eigenbrödelei und Nebensinn. Das fängt im Chor an mit laut, leise, gar nicht, falsch, unrhythmisch, disharmonisch, ständig hüstelnd, herausgehoben in Haltung und Gebaren, geht auf den Wegen weiter und zieht sich in jedem Bereich des Tuns durch. Wie wichtig ist doch ein Publikum!
Schonmal eine richtige hochherrschaftliche Prozession gesehen? Mit wieviel Würde man da so daherschreiten kann... Mitunter wird dabei das ganze Mittelalter lebendig, eine Inszenierung entsteht - nur - wer ist der Mittelpunkt davon und wer sollte es im Kloster sein? Unbewusst spiegelt sich in Haltung und Schritt, in Mimik und Gestik das, was eine Person nicht gerne über sich sagen würde, was die anderen aber doch möglichst zur Kenntnis nehmen möchten. Und je mehr der individuelle Eindruck besteht, man sei zu wenig beachtet, umso mehr entwickeln sich Formen, sich das zu holen, was man braucht oder meint, dass es einem zukomme. Ganz zu schweigen von gewollt demütigen Präsentationssituationen, die es im Kloster natürlich auch gibt. Dann kommt manchmal der Punkt, wo alles diskret Platzierte so unauffällig auffällig  wird, dass es dem Skurrilen und Komischen Platz macht, weil sich überzogen würdiger Ernst mit einem zu schlichten, ja - banalen Anlass paart. Das sind die Momente zum Schmunzeln, das ist Kino live, aber auch eine Stolperfalle...denn die eigenen Marotten sind ja nur anders gelagert, nicht aber unsichtbar.

Im Kloster gibt es jeden Tag kleinere Prozessionen - sichtbare und unsichtbare: den Einzug und Auszug in die Kirche bzw. wieder heraus bei Laudes, Messe und Vesper, den Gang zum Kapitelsaal, aber auch den Weg im Schweigen ins Refektor. Äussere Inszenierung bewirkt innere Inszenierung - ganz automatisch. Man kann hingekehrt sein zu dem, den (was) man liebt, aber auch zu denen, deren Zuneigung und Aufmerksamkeit man erwartet oder voll beschäftigt sein mit dem, was noch alles an Arbeit ansteht, was man vergessen hat etc. 

Natürlich - man muss viel lesen und diverseste Quellen studieren, um den internen Überlieferungen solchen Verhaltens, das ja kein Geheimnis ist, auf die Spur zu kommen. Karrikaturen von Ordensleuten beispielsweise in den Umbruchszeiten wie Reformation und Säkularisation gab es ja genug. Ich meine hier wirklich die internen Überlieferungen, die kleinen spitzen Andeutungen und Schönfärbungen, die nur ganz diskret durchblicken lassen, was man aus Takt nicht sagen kann. Sie bieten vielleicht den erhabeneren Stil, werfen aber auch in besonderem Maß ein Schlaglicht auf Schwierigkeiten und Ernst monastischen Verhaltens, das in einer Hinsicht sicher zeit- und ortsunabhängig, andererseits aber doch auch veränderlich im Sinne der Zeitverhältnisse sein kann.